Im Herbst 2009 wurde in Hagen das Kunstquartier mit zwei Museen unter einem Glaskubus eröffnet: dem nun erweiterten Karl Ernst Osthaus Museum und dem neuen Emil Schumacher Museum, welches den expressiv abstrakten Maler vorstellt. Während für das Schumacher Museum der Auftrag klar ist, definiert sich das Osthaus Museum mit seiner Sammlung zur Kunst der Moderne und aus dem Anspruch auf Aktualität neu. Dazu trägt der Bestand an Objekten aus dem angewandten Bereich bei. Mindestens hierhin passt die aktuelle Wechselausstellung, die sich der Erscheinungsform von Parfüm zuwendet und dies historisch auffächert.
Aber kann man das überhaupt, eine Ausstellung aus derartigen Gefäßen machen, bei denen es noch um etwas „Unsichtbares“ geht, den Geruch und das Riechen? Das Ergebnis ist beeindruckend. Grundlage ist die Sammlung der Münchnerin Beatrice Frankl, die Flacons und Flaconkunst von 1820 bis etwa 1970 zusammengetragen hat. Das Osthaus Museum setzt auf Inszenierungen im großen Stil und zieht alle Register der Dekoration mit den Effekten von Licht, Pracht und Sinnlichkeit. Dazu gehören die Aufbauten in Vitrinen, die unterschiedlich gestalteten Kabinette mit farbigen Wänden, wobei der Parcours den gesamten Neubau umfasst und Beziehungen zum Altbau etwa mit der Plastik von Tony Cragg herstellt. Berücksichtigt wird der weite Bereich zwischen Erzeugung, Präsentation und schließlich Werbung für das Parfüm; positioniert werden einzelne Marken mit Installationen aus Regalen oder Lounges. Riech-Schubladen sind zu öffnen, zugleich wird die Erzeugung von Gerüchen erklärt. Parfüm-Verdunster gibt es ebenso zu sehen wie Kettenflacons und Duftkarten. Deutlich wird die Rolle der Verpackung für die sinnliche Erfahrung und die Kaufentscheidung, die schließlich mit Identifikation einhergeht. Dabei bedient sich die Parfüm-Industrie, die sich in dieser Ausstellung selbst darstellt, der Maßnahmen der Kunst und der Werbung, der Suggestion von Luxus und Sinnlichkeit. Implizit ist dies noch eine Ausstellung über Vermarktung und darüber, wie Gebrauchsartikel dabei zu Kultur werden.
Übrigens finden derzeit zwei weitere Ausstellungen in NRW statt, die sich der Gefäßkunst zuwenden: in Ratingen und in Aachen. Das Oberschlesische Landesmuseum zeigt Porzellan der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus den
Fayance-Manufakturen in Proskau und Glinitz, die führend im Deutschen Reich waren. Und das Couven-Museum, dessen Thema das bürgerliche Leben an der Schwelle zur Moderne ist, geht der Einführung von Kaffee sowie Tee in Europa im 17. Jahrhundert nach anhand der Gerätschaften zur Zubereitung und Darbietung. All das ergänzt sich sinnvoll und teilt über die Formensprache hinaus Wesentliches zur Zeit mit. Aber die Ausstellung, die am stärksten die Kunst berührt, ja, Ästhetik zu einem eigenen Thema macht und dabei in die Gegenwart ragt, ist doch die in Hagen.
„Flacons – Haute Couture der Düfte“ I bis 20.2. im Osthaus Museum in Hagen I www.osthausmuseum.de
„Die Ernüchterung des Abendlandes. Kaffee und Tee erobern Europa“ I bis 20. März im Couven-Museum in Aachen I www.couven-museum.de
„Proskauer Fayencen“ I bis 6.2. im Oberschlesischen Landesmuseum Ratingen I www.oberschlesisches-landesmuseum.de
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