Was wurde Seo, die 1977 geborene Koreanerin mit Wohnsitz Berlin, in den letzten Jahren nicht hochgejubelt und mit wichtigen Ankäufen und respektablen Ausstellungen überschüttet! Ein Shootingstar im nationalen Kunstbetrieb, und bei aller gegenständlichen Malerei ganz und gar nicht irgendwelchen Schubladen und Schulen zuzuordnen. Nein, die Kunst von Seo wirkt aus sich heraus: im Blick über gelbe Felder und Wasserflächen, Szenen fern der Großstadt in einer leuchtenden Farbigkeit. Aus der Nähe lösen sich die Bilder kaleidoskopartig auf. Die Darstellungen sind aus handgeschöpftem Hanji-Papier aufgebaut; etliche Schichten mit Farbe und Papierstreifen wechseln einander ab, bilden eine durchscheinende Haut, die mit Acrylfarbe abgeschlossen ist. Seo, die in Südkorea und bei Georg Baselitz in Berlin studiert hat, bringt mit ihrem collagierenden Verfahren nicht nur ihre Heimat ins Spiel, sondern fügt verschiedene Kulturen zusammen: Sie entnimmt die Motive ihrer Landschaften verschiedenen Orten auf der Welt und der Kunstgeschichte und spricht so die zerbrochene Einheit von Natur und Zivilisation an – auch dann, wenn neuerdings Menschen in den Bildern auftauchen. Ausgezeichnet mit dem Dürener Kunstpreis Meilenstein und im Ausweichquartier des Leopold-Hoesch-Museums, dem Papiermuseum ausgestellt, zeigt Seo nun diese Bilder, die bereits ihren späteren Platz gefunden haben, das Kölner art’otel.
Die reine Konstruktion, entwickelt aus dem Kalkül der Collage – das ist auch ein zentraler Aspekt der Bilder von Thomas Huber. Huber, der 1955 in Zürich geboren wurde, bei Fritz Schwegler in Düsseldorf studiert hat und heute in Berlin lebt, zeigt Räume, die ihre eigene Künstlichkeit vor Augen führen. Sie jonglieren virtuos mit Perspektiven und Geometrien und präsentieren eine nahezu virtuelle und unbeseelte Welt. Bei Huber ist alles kühl, analytisch und dabei ein Statement über Städtebau und Behaustsein und die Wahrnehmung davon. Vor allem in früheren Bildern wurden ganze Gebäudekomplexe und Platzsituationen gezeigt, die nach den Bedürfnissen heutiger Menschen zugeschnitten waren, ohne diese selbst zu integrieren. Im Marta Herford sind vor allem die neueren Gemälde mit modellartigen Museumsräumen ausgestellt. In diesen ziehen sich Raster und Rauten über die Wände. Jedes Maß geht verloren, gerade wegen aller Klarheit ist das Geschehen beunruhigend labyrinthisch ... Anders gesagt: Die Schönheit von Huber ist die unglaubliche Perfektion, die von Seo die realitätsfremde überbordende Natur – so richtig wohl fühlt man sich nirgendwo. Und das macht die Werke beider Künstler richtig interessant.
Seo: The Cologne Paintings, bis 19.10. im Leopold-Hoesch-Museum Düren c/o Papiermuseum, Wallstr. 2-8 in Düren I 02421 25 25 61
www.museum-dueren.de
Thomas Huber: rauten traurig, bis 5.10. im Marta Herford, Goebenstr. 4-10 in Herford I 05221 994 43 00
www.marta-herford.de
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