Sie starren den Besucher an, dieser Vater und seine Tochter. Ihre Augen sind ausdruckslos, ihr Blick steril. Leichte Farbflächen haben die Makellosigkeit beschädigt. Zhang Xiaogangs Familienportraits beschreiben ein chinesisches Wesen der Uniformität, nicht nur in der Kleidung, auch in der Tradition. Der Künstler aus Beijing hat es auf dem Kunstmarkt längst geschafft. Seit den frühen 1980er Jahren arbeitet er sich an der Familie ab, seine großformatigen Arbeiten spülen Millionen Dollar in seine Tasche und die Auktionshäuser. Die chinesische Kunst boomt, asiatische Käufer fegen die Märkte leer. Die Kunsthalle Recklinghausen zeigt nach ihrer einjährigen Renovierung als erste Ausstellung Arbeiten von 16 Künstlern aus der in den Niederlanden beheimateten Sammlung Fu Ruide. Alle sind längst bekannt und in internationalen Kollektionen vertreten. „Facing China“ heißt die Überblicksschau, die nicht nur die private Sammlung präsentiert, sondern mit rund 90 Arbeiten auch einen Querschnitt der zeitgenössischen Künstler, die momentan auch in ihrer Heimat für Furore sorgen. Dass die Kosten in Recklinghausens Kunstbunker auch der Privatier aus Holland trägt, mag nicht nur der klammen Stadtkasse geschuldet sein; die Investition ins Museale hat immer auch eine Wertsteigerung zur Folge. Im Prinzip haben also alle etwas davon. Nur aktuelle Arbeiten darf man gerade nicht erwarten.
So stammt auch Liu Yes „Selbstportrait mit Mondrian“ bereits aus 1998 und hat bereits in NRW in anderen Ausstellungen gehangen. Aber der Reiz dieses Künstlers (Jg. 1964), ebenfalls aus Beijing (Peking), ist längst nicht vergangen. Er wurde durch die Kulturrevolution 1966-76 sozialisiert und geprägt und schon als Kind visuell mit kitschiger Propagandakunst bombardiert. Seine Bild-Welt lebt von kindlicher Einfachheit, darf aber keineswegs mit Naivität verwechselt werden. Da sitzt der Künstler jungenhaft am kargen Schreibtisch, ein Glas Wasser, und hinter ihm hängt eben die europäische Ikone der abstrakten Kunst aus dem Titel. Etwas weiter ein Gemälde mit dem kleinen Prinzen in Fliegeruniform, seine ureigene Hommage an den Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry.
Zwei Etagen darüber (der Bunker hat auch einen neuen Aufzug) hängt eine Serie mit Fang Lijuns kahlköpfigen Einheitsmenschen. Er war einer der ersten, der richtig bekannt wurde, seine roten Stereotypen schafften es damals auch auf westliche Polit-Titelseiten. In Recklinghausen sind von ihm auch Kleinskulpturen, ein witziger Kochtopf und eine kleine Bronzegruppe zu sehen. Zwei wunderschöne Kinderportraits von Tang Zhigang kontrastieren alles.
Ganz anders ist es eine Treppe tiefer. Hier ist der zweite Sammlungs-Schwerpunkt von Fu Ruide zu sehen. „Chinese Abstract Slow Art“ zeigt abstrakte Malerei. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler der Tian’anmen-Generation haben zu den Wurzeln chinesischer Kunst zurückgefunden und stellen damit auch Kunstmarkt-konformen Boom ihrer Landsleute in Frage. Mit schier endloser Geduld malen sie Schicht für Schicht auf die Leinwand. Die Meditation im Herstellungsprozess ist ihnen dabei wichtig. Zum Teil arbeiten sie jahrelang an einem Werk, wie Wang Guangle, seine Bilder repräsentieren gleichsam eingefrorene Zeit.
„Facing China” I bis 24.6. I Kunsthalle Recklinghausen I 02361 50 19 35
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