Gibt es wohl so etwas wie ein Sommerinstrument? Die Vuvuzelas aus Südafrika strahlten als Alptraum vom Schwarzen Kontinent, sie besetzen unumstritten Platz 1 unter den nervigsten Stimmungshupen. Aber ein angenehmer Sommerwind lässt sich natürlich am leichtesten von einem Blasinstrument imitieren, und warm ist der Hauch auch noch: Körpertemperatur wahrscheinlich. Mein Sommerinstrument ist die Zugposaune. Sie ist die Lyrikerin unter den Blechblasinstrumenten, ein viel belachter Clown im Happy Jazz, Verkünder einer Frühschoppengemütlichkeit im Dixieland und Klangträger bei festlichen Straßenumzügen. Aber immerhin ließen Posaunen auch ganze Stadtmauern einstürzen, Karlheinz Stockhausen bewaffnete in seiner „Lichtoper“ Luzifer mit diesem Instrument, und der Posaunist Christian Lindberg schrieb ein Posaunenkonzert für das im Solokonzertleben völlig unterbelichtete Instrument, in dem der Posaunist auch das Orchester dirigiert: Lindbergs Rache an allen eitlen Dirigenten, so verriet er. Selbst dieses Ernste Konzert ist witzig, unangepasst und unterhaltsam.
Im Jazz hat in Deutschland Albert Mangeldorff das Instrument berühmt gemacht, allerdings bezogen auf neue Spieltechniken und die solistische Bedeutung der Posaune im deutschen Freejazz. Seine Solokonzerte waren revolutionär, sein mehrstimmiges Spiel klang wundersam. Er hat sicher auch Posaunisten beflügelt, technisch weiter am Instrument zu forschen und Erfahrungen in neue Zusammenhänge zu stellen. Zwei außergewöhnliche Posaunenstimmen erschallten später im Rheinland: Henning Berg (Jahrgang 1954), langjähriger Posaunist in der WDR Big Band, und eine Generation verjüngt Nils Wogram (1972), Erstligaspieler auf dem Weltmarkt, wollten beide mehr von ihrem Instrument, als im sauberen Satz Träger orchestraler Mittelstimmen zu sein. Besonders Nils Wogram, der heute in Zürich lebt, hat sich zum Hoffnungsträger des Instruments Posaune entwickelt.
Beiden Posaunenlehrern, denn beide unterrichten auch, ist der junge Bläser Klaus Heidenreich begegnet. Er weckte bei gleich mehreren Konzerten, darunter sein Konzertexamenskonzert im Kölner Loft, den sommerlichen Gedanken, denn sein Ton und sein sorgenfrei lustbetontes spontanes Spiel atmete die Leichtigkeit und das beruhigende Selbstverständnis, das sich in der warmen Jahreszeit idealerweise einstellen kann. Im Quartett mit den preisgekrönten Jazzern Sebastian Sternal am Klavier und dem Bass-Schlagzeug-Gespann Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel spielte Heidenreich eigene Stücke, die sich als feste Arrangements mit Thema, Bridge und gemeinsamen Breaks trotzdem so flockig heiter präsentierten, dass es die drückende Julihitze ein wenig erleichterte. Die Jungs spielen modernen Mainstream, auch mal Standards, aber taufrisch und mit einer sensationellen Dynamik. Heidenreich lässt Klang strömen, nichts wird erzwungen. Er besitzt eine selbstverständliche Virtuosität und einen wunderhübschen Ton, der in der Höhe die Sentimentalität eines Flügelhorns ausdrücken kann. Eine neue CD entsteht in nächster Zukunft, zu viel Zeit hat der junge Bläser nicht: Bereits seit zwei Jahren sitzt er als Nachfolger von Nils Landgren im Satz der NDR Big Band, eine gute Adresse für einen Musiker, der in diesem Monat 26 Jahre alt wird. Wir wünschen ihm nur das Beste und freuen uns auf viele Begegnungen: Wir sollten ihn im Ohr behalten!
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