Es bleibt die Kaiserdisziplin in der Kammermusik. Mit vier Stimmen lässt sich vieles in Gänze darstellen, das Streichquartett ersetzt beinahe ein Streichorchester. Und immer wächst die Szene weiter, junge Menschen stürzen sich auf alte Werke, über die schon beinahe alles gesagt wurde.
Das französische Quartett Quatuor Modigliani hat sich vor zwanzig Jahren auf den Weg gemacht, zwischen Neuer Musik und den Klassikern/Romantikern seinen eigenen Weg zu finden. Eine erste Station markierte kürzlich die Präsentation aller Streichquartette von Franz Schubert in einer CD-Kassette. Auch für ihr Kölner Konzert haben sie ihren Franzerl mit seinem Quartett „Der Tod und das Mädchen“ auf den Gipfel ihres Programms gehoben – neben taufrischem Notenmaterial einer jungen Komponistin und einem Schostakowitsch-Werk.
Die Pariser erhielten 2017 die Ehre, als erstes Quartett die damals euphorisch begrüßte neue Hamburger Elbphilharmonie zu bespielen. Die Qualität eines Quartetts liegt in der Homogenität ihres Klangs und in der gemeinsam realisierten Interpretation. Die bezieht sich in solch kleinen Ensembles nicht auf eine verabredete Marschrichtung, sondern auf jedes Motiv bis auf einzelne Noten. Dazu sollten sich die Spieler bestens kennen, in manchen Quartetten sitzen deshalb Geschwister.
Die Modiglianis wurden bereits während des Studiums am Pariser Konservatorium freundschaftlich verbandelt, bis sie sich zu einem eigenen Ensemble formierten. Heute leiten sie ein Quartett-Festival in Bordeaux mit eigenem Wettbewerb und ein eigenes Festival in Saint-Paul-de-Vence. Seit diesem Herbst unterrichten sie eine erste Streichquartettklasse in Paris.
Für ihr Jubilee feiern sie Italien, das Land, aus dem ihre kostbaren Instrumente von Stradivarius, Guadagnini, Mariani und Goffriller stammen, Leihgaben privater Sponsoren. Für diese Instrumente und ihre Spieler hat Elise Bertrand, junge Komponistin und Geigerin Jahrgang 2000, ein Auftragswerk über ein italienisches Thema verfasst, das im Oktober in Amsterdam uraufgeführt wurde und jetzt mit den Modiglianis um die Welt reist. Die vier Herren bieten ein wunderbares Beispiel dafür, dass im internationalen Klassikzirkus spielerische und programmatische Raffinesse ausreichen, um eine weltumspannende Karriere in zwei Jahrzehnten zu sichern. Chapeau!
Quatuor Modigliani | Mi 29.11. | Philharmonie Köln | 0221 28 02 80
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24
Mit Hochdruck bei der Arbeit
Die Orgelfeierstunden im Kölner Dom – Klassik am Rhein 06/24
Träume aus alten Zeiten
Zamus: Early Music Festival 2024 in Köln – Klassik am Rhein 05/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24