Man muss sich einsehen, ein Gespür für Distanz und Nähe gewinnen, vor und zurück gehen und nach einiger Zeit wieder zum Bild zurückkehren. Die Malereien des Belgiers Raoul De Keyser wie auch die des Dänen Per Kirkeby sind nichts für den schnellen Blick. Mit Gegenständlichem haben beide zu tun, aber das ist es längst noch nicht. Nein, jeder der Künstler hat für sich eine eigene Sicht auf seine Umgebung und auf spezifische Phänomene entwickelt, beharrlich und mit einer Intensität, die auch den Betrachter ergreift und ihn Sehen lehrt.
Zunächst Raoul De Keyser. Von ihm, der mit seiner Malerei das Bild entleert hat und nur Weniges, angeschnitten vom Rand, zeigt, gab es schon viele Jahre keine Museumsausstellung in Deutschland mehr. Gleichwohl ist er durch documenta- und Biennale-Teilnahmen zu internationalen Ehren gekommen. Das Kunstmuseum Bonn hat nun darauf reagiert und ihm eine passable Werkschau eingerichtet. Zugleich setzt es seine lockere Folge mit Ausstellungen zur gegenstandsfreien Malerei fort. Im Anschluss an Palermo, Brice Marden, Robert Ryman und de Kooning nun also Raoul De Keyser (geb. 1930). Und doch, De Keysers Malerei bindet sich immer an das Geschehen der unmittelbaren, oft privaten Umgebung an. Der Steg im Blick aus dem Atelierfenster teilt die monochrome Farbfläche, die in einzelnen Pinselstrichen, dadurch fast körperhaft angelegt ist. Oder ein Ast ragt in den monochrom tiefenräumlichen Grund hinein. So wird jedes Bild zum Ereignis, gerade weil es nichts verlangt, als aufmerksam hinzuschauen. Berühmt wird man damit nicht, aber Raoul De Keyser ist ein großer stiller Einzelgänger.
Aufgrund seines Erfolges kann man letzteres nicht mehr von Per Kirkeby sagen – aber auch bei ihm entstehen die Bilder aus persönlichen Erlebnissen und unabhängig vom Kunstbetrieb. Kirkeby (geb. 1938) hat als Geologe gearbeitet. Damit hängt die Struktur seiner Bilder zusammen, die sich aus ineinander verzahnten Feldern und Linien ergeben, welche durch die oft riesigen Bildfelder strudeln. Neben Buntfarben finden sich besonders gedeckte Töne in Braun und Grün, die den Bezug zu Landschaft und Natur weiter verstärken. Und doch sind diese Bilder abstrakt, zwischen Fläche und Raum als Möglichkeiten von Komposition. Zwar ist Kirkeby im Rheinland recht gut bekannt, durch seinen Kölner Galeristen und weil er in Düsseldorf schon einmal, in der Kunstsammlung NRW in einer umfassenden Ausstellung vorgestellt wurde. Aber der Clou seiner jetzigen Ausstellung im museum kunst palast in Düsseldorf ist, dass dort zeitgleich mit Caspar Wolf ein Schweizer Maler der Alpen aus dem 18. Jahrhundert präsentiert wird – also, solche Malerei ist zeitlos wie die von Kirkeby und, auf andere Weise, wie die von De Keyser.
Raoul De Keyser I bis 18. Oktober im Kunstmuseum Bonn www.kunstmuseum-bonn.de
Per Kirkeby I bis 10. Januar I im museum kunst palast in Düsseldorf, www.museum-kunst-palast
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