„Popakademie“ – allein das Wort schon. Wenn über Pop im Ruhrgebiet geredet wird, wird in regelmäßigen Abständen das Konzept „Popakademie“ durch die Ex-Dörfer gejagt. Jetzt scheint es aber spruchreif zu sein – gerüchteweise hat das „Kreativquartier“ an der Zeche Bochum das Rennen gemacht und ist damit das neue Mannheim. 2003 eröffnete dort die „Popakademie Baden-Württemberg“, finanziert wird sie vom SWR, der Stadt Mannheim und dem Land Baden-Württemberg. Kritik an dem Konzept Popakademie gibt es reichlich, wir fassen sie an dieser Stelle einfach mal Lehrplan-kompatibel zusammen.
Widmen wir uns zuerst dem Authentizitätsmythos: „Echten Pop kann man nicht lernen. Robert Johnson hat seine Seele nicht verkauft, damit ihr jetzt mit Anwesenheitspflicht und Gesangsunterricht zerbrechlichen Teenagerherzen beibringt, wie man zu fühlen hat.“ Das stimmt nur so halb. Die interessanteste Popmusik ist immer dort entstanden, wo man sich ausprobieren konnte – an Kunsthochschulen oder im durchsubventionierten Berlin der 1980er. Junge Menschen, die unbedingt Musiker sein wollen, einfach mal mit gutem Equipment zur Schule zu schicken ist prinzipiell also eine super Idee. Warum bei den bisherigen Popakademie-Bands aber meistens nur Sekundärmusik rausgekommen ist, mit der man auch einen SPD-Ortsverein führen könnte, weiß allein Gottes Stellvertreter auf Erden, Popakademie-Schirmherr Xavier Naidoo. Gepflegt werden solche Mythen bevorzugt beim Durchhören der eigenen Singlesammlung an der ‚authentischen‘ Wurlitzer-Musikbox, dem eigentlichen Geburtshelfer von Rock’n’Roll. Dank der von der Musikbox aufgezeichneten Daten wussten die Plattenfirmen, dass laute Gitarrenmusik besonders gerne gehört wurde und warfen danach Rock’n’Roll-Singles en masse auf den Markt – so viel zum Thema ‚authentischer Rock‘. Herausgefunden hat das übrigens Klaus Nathaus von der Uni Bielefeld, ein echter Akademiker.
Womit wir gleich beim zweiten Punkt wären – dem Standortmythos: „Bochum ist nicht der richtige Standort für eine Popakademie. Die Musikwirtschaft in NRW sitzt in Köln, dorthin sollte die Förderung fließen.“ Das tut sie jetzt auch schon – die c/o pop hat lange Jahre Landesgelder erhalten. Aber diese Logik ist falsch. Die Konsequenz wäre, dass Fördermittel eigentlich nur noch nach Gütersloh vergeben werden dürften. Ohne die Ergebnisse von Bertelsmann sähe die Kreativwirtschaftsstatistik in NRW noch durchschnittlicher aus. Bei der Popakademie geht es aber nur bedingt um Standortförderung. Die bezuschusste Popakademie Mannheim war in erster Linie eine Berufsschule für angehende Kaufleute von Universal Deutschland in Berlin. Die Auswirkungen auf die Mannheimer Musikszene sind überschaubar.
Was die ebenfalls überschaubare Bochumer Musikszene von einer neuen Berufsschule haben könnte? Keine Ahnung. Der Blick in die Glaskugel ist der Job von Politikern und Lobbyisten, nicht der von Journalisten. Aber so viel ist sicher: Proberäume, Auftrittsmöglichkeiten und eine üppige Weihnachtsfeier, um die Angestellten des Ordnungsamts gnädig zu stimmen, helfen im Zweifelsfall mehr als eine neue Akademie.
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