Als der Amerikaner Ry Cooder mit seinem Album und wenig später Wim Wenders mit seinem berüchtigten Film über die Musikszene Kubas das Reisefieber bei den dort musizierenden Senioren ausgelöst hatte, war dies wie eine göttliche Fügung. Klavierspieler, die seit Jahren von Gelegenheitsarbeiten und ohne jegliche Musik gelebt hatten, saßen plötzlich an Flügeln in der eigenen Heimstadt. Der „Club social“, ein in den Fünfzigern wichtiger Kulturverein, der sich im Stadtviertel Buena Vista der Hauptstadt Havanna ansiedelte, war Thema eines Songs auf dieser meistverkauften Platte des Genres Weltmusik überhaupt und wurde zum Etikett einer ganzen Serie von CDs und Welttourneen. Neben diesen Stars der Folklore besaß Kuba aber auch immer eine lebendige Jazzszene mit eigenen instrumentalen Weltklasse-Spielern, nicht nur versammelt in der Band Irakere, die vor vierzig Jahren vom kubanischen Pianisten Chucho Valdéz gegründet wurde. Auch ein Pianist namens Gonzalo Rubalcaba ließ die Herzen der Jazzfreunde schneller schlagen, selbst ausgesaugte Titel wie „Besame mucho“ wurden unter seinen Fingern zu heißen Krimis.
Bereits 2002 vergab eine Jury unter dem Vorsitz von Chucho Valdéz den ersten Preis an die Pianistin Marialy Pacheco. Sie hatte an ihr klassisches Klavierstudium noch eine Komponistenausbildung in Havanna gehängt, sich aber parallel immer für den Jazz und für die Improvisation interessiert. Mit ihren Kompositionen gewinnt sie Preise in Amerika und reist durch Australien, wo sie just im August tourt. 2012 adelte sie – übrigens als erste Frau – der 1. Preis in der „Solo Piano Competition“ des Montreux Jazz Festivals in der Schweiz, was sie im letzten Jahr bewegte, ihren Wohnsitz wieder nach Deutschland zu verlegen – zu ihrer Liebe nach Dortmund. „Ich habe in Deutschland bereits fünf Jahre gelebt“, erzählt die Pianistin, „hier ist meine zweite Heimat, hier fühle ich mich wohl und zuhause!“
Ihrer ersten Heimat Kuba hat sie jetzt ihr aktuelles Album gewidmet. „Introducing“ nennt sie ihre Mischung aus kubanischer Tradition, verspielter Kompositionstechnik und natürlich viel Improvisation. Für den originalen lateinamerikanischen Sound hat sie zwei kolumbianische Musiker ins Studio geholt. Und zwei prominente internationale Musikstars nahm sie zusätzlich ins Boot: Der marokkanische Perkussionist Rhani Krija arbeitet sonst mit Pop/Fusion-Ikonen wie Sting oder Dominic Miller, und der deutsche Trompeter – nein, nicht der schöne Till (Brönner) – Joo Kraus flüstert durch den Dämpfer zu einer zarten Ballade. Diese singt Marialy ganz sanft. Ansonsten spielt sie herrlich mit kubanischen Tanzrhythmen, so in einer Cuban Suite mit Rumba, Danzón und Conga. Dabei lässt sie sich, ihren Musikern und letztlich dem Hörer entspannt Zeit, in die wechselnden Stimmungslagen der Songs einzutauchen – viel Musik für einen heißen Sommer.
CD Marialy Pacheco: „Introducing“
Konzerte: 6.9. Köln (Audi Jazzfestival) | 1.10. Bonn (Harmonie) | www.marialypacheco.com
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