„Alla turca“ klingt verführerisch, süß, duftend, fremdartig, orientalisch geheimnisvoll. Mozart liebte die Türkenoper, seine Entführung aus dem Serail spielt zwischen Säulen und bärtigen Männern in bunten Pumphosen. Fazil Say, Pianist aus Ankara, kam als 17jähriger Stipendiat nach ersten Studien in der Türkei ins gepflegte Düsseldorf am Rhein, um am Robert-Schumann-Institut die europäische Musikkultur zu erlernen. Für den Jazz und für die Improvisation schlug sein Herz schon seit frühester Jugend, und 2000 gründete er ein „World-Jazz“-Quartett, mit dem er auf Jazzfestivals begeisterte. Fazil Say, Jahrgang 1970, ist ein Produkt unserer Tage: Als Multikulti siedelt er zwischen Orient und Okzident, keine Musik ist ihm fremd, wenn sie gut ist. Und ein Konzertabend mit ihm spiegelt das eindeutig wider: Typen im Klassikgeschäft wie Yuri Bashmet oder Shlomo Mintz sind seine Partner, mit dem Geigenvirtuosen Nr. 1 Maxim Vengerov zog er durch Europa und die USA. Seine Duo-Partnerin, Patricia Kopatchinskaja, trampelt mit nackten Füßen unter ihrem Konzertkostüm, damit sie den Boden spürt und die Rhythmen in das Holz einstampfen kann. Die Musiker, mit denen Say anbändelt, stehen über den technischen musikalischen Dingen, sie tanzen die Konzerte. Und manche Stücke winden sich urplötzlich aus der starren Form und entwickeln improvisatorische Abwege. Seine Geigerin folgt spontan. „Wenn sie schmutzig spielt, ist richtig!“ meint Say über die erweiterte Tonalität, in der seine moldawische Kollegin fantasiert. Sie unterstützt – selbst ein Jungstar der Szene – Kinderprojekte in ihrer Heimat.
Fazil Say wurde von der EU zum Botschafter des interkulturellen Dialogs ernannt. Er befürwortet den Beitritt der Türkei, die moderne Türkei habe das verdient, so meint er. Die Konservativen mögen den energischen Künstler nicht, die türkische Regierung lässt den Pianisten schon mal auflaufen, mit kurzfristigen Absagen von Konzerten. Aber Say, der sehr erfolgreich komponiert, erhält auch Kompositionsaufträge vom türkischen Kulturministerium. Auch dabei agiert der Tonsetzer als Brückenbauer, denn seine Werke atmen multistilistisch sowohl zeitgenössische Farben als auch folkloristische Skalen oder türkische Volksliedthemen. Für das Konzerthaus in Dortmund schreibt Fazil Say für das beginnende Festjahr 2010 seine 1. Sinfonie, eine Istanbul-Sinfonie, mit türkischen Instrumenten im klassischen Sinfonieorchester und inspiriert vom Sonnenaufgang am Bosporus. Für sein Violinkonzert bekamen seine Interpretin Patricia und er 2009 den Echo, und vor kurzem tourte er mit diesem Werk in einer Kammerfassung auch durch NRW: Patricia geigte, Fazil übernahm am Flügel das Orchester – aus dem Hut, versteht sich –, und der türkische Trommler Burhan Öcal verstärkte die tänzerische Rhythmik mit einer historischen Handtrommel; die erklang sonst bei Weltmusik-Jazz-Ikonen wie Joe Zawinul, beim Pop-Sonderling Sting oder bei den Avantgarde-Streichern des Kronos-Quartetts. Vielleicht steigt Fazil von der Ethno-Klassik-Seite in die Nachfolge eines Sting, eines guten Hirten guter Musikanten, die einen möglichst bunten Zoo bilden und neue und alte Klänge erfinden und bewahren. Das ist eigentlich ein Fall sowohl für den Künstler wie für den Botschafter der EU – ein Fall für Fazil Say.
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