Es ist immer schlecht für das Geschäft, nicht sortierbar zu sein. Das gilt ganz besonders für die Musik. Die Verkaufskraft eines Ballermann-Schlagers liegt immer darin, aus gut bekannten musikalischen Primitivformeln und abgewrackten Sprachphrasen neuen Schwachsinn zu schmieden, der Friseusenherzen betört oder Gerüstbauern ein breit-lüsternes Grinsen um die frühmaroden Zähne zaubert. Leider reicht dieses Phänomen, Bekanntes immer wieder neu kennenlernen zu wollen, bis in die höchsten Bildungsetagen: In einer Welt von Spezialisten kann es keine universalen Künstler geben, zumindest nicht so viele, dass es sich lohnen könnte, für diese schrille Spezies eine eigene Schublade aufzuziehen. Deshalb bleiben Musiker wie Uri Caine, der in der Kartei „Crossover“ nicht wirklich abgespeichert werden darf, weil er nicht nur über den Tellerrand guckt, sondern übergreift, immer suspekt – ein Konzertbesuch bleibt dann ein Abenteuer.
Nachdem der Freejazz alles Bestehende zerschlagen hatte, hieß es im Jazz wieder „Ärmel aufkrempeln, zupacken, aufbauen“. Disziplinen könnten – wie in den Fusion-Jahren – friedlich fusionieren. Orgelbands wie Nice oder Exeption haben damals Brücken zwischen Rock und Klassik geschlagen. Und auch von Uri Caine gibt es eine solchermaßen plumpe Mischung: Es handelt sich um den Chorsatz eines Mahlerliedes, über dessen träumerisch offene Harmonik eine Gospelsängerin aus voller Kehle ihre Improvisation gießt wie Schokoladensoße mit Blue Notes. Diese einfach erzeugte Begegnung ist übrigens allein deshalb sehr gelungen, weil die Fremdheit der Welten, die da aufeinanderprallen, durch nichts abgefedert oder kaschiert wird. Es erklingt eine unerhörte Polyphonie, wie sie sich einmal Stravinsky erträumt hat, als auf einem Pariser Platz mehrere Kapellen mit eigenen Musiken aufmarschierten und ihm die Ohren verdrehten.
Einen intellektuellen Künstler wie Uri Caine mit den Edlen der Avantgarde-Szene, Musikern wie Nguyên Lê, Theo Bleckmann, John Hebert, Chris Speed, Ralph Alessi, Jim Black und DJ Olive, jetzt zum Neujahrskonzert an den Rhein einzuladen, bedeutet ein unternehmerisches Risiko, dass sich nur eine fett subventionierte Philharmonie erlauben kann. Deshalb dürfen alle Freunde des Besonderen auch kurz nach dem Fest jubilieren und nach Köln am Rhein reisen, um Caines Bearbeitungen von Musiken des Kölners Jacques Offenbach und des Amerikaners George Gershwin zu erleben. Und wer diesen Künstler in seiner ureigensten Art als Jazzmusiker in der Königsdisziplin „Klaviertrio“ erleben will, der ist im intimen Stadtgarten-Ambiente willkommen. Der Ausnahmemusiker Caine hat ja Klassische Musik studiert und dann den Jazz für sich entdeckt – das geht vielen kreativen Musikern so, selten jedoch funktioniert das auch in die andere Richtung. Im Trio begleitet ihn der Bassist John Hebert und der Drummer Ben Petrowsky – das besitzt echte Klasse. Und sein Offenbach-Konzert heißt „Yes, we Cancan“. Humor hat er also auch!
1.1., 18 Uhr I Philharmonie Köln I www.koelner-philharmonie.de
23.1., 20.30 Uhr I Stadtgarten Köln I www.stadtgarten.de
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