Eigentlich braucht es nicht einmal ein Eintrittsgeld, wenn man die jüngste Arbeit der chinesischen Künstlerin Yin Xiuzhen in der Düsseldorfer Kunsthalle sehen will. „Nowhere to land“ ist ein auf den Kopf gestelltes Fahrwerk eines Flugzeugs, dessen Dimensionierung neben der nach oben führenden Treppe ungewöhnlich gigantisch erscheint. Die Räder hat die Künstlerin mit schwarzem Stoff ummantelt und kleine Röhren eingearbeitet. Offroad-Feeling beim Fliegen? Eher eine auf den Kopf gestellte Welt, die das Landleben in China langsam aber sicher in die gleiche Richtung drängt, aber auch jenes in den alten gewachsenen Stadtteilen der Metropolen. Dass Yin Xiuzhen bei ihren Installationen und Skulpturen immer gebrauchte Kleidung verarbeitet, kann man bei dieser Arbeit von 2012 nicht erkennen.
Bei anderen sieht das anders aus. Im zweiten Stock, hier braucht man natürlich ein (absolut lohnenswertes) Ticket, steht die Raupe Nimmersatt als Fahrzeug. Die chinesische Variante eines erschwinglichen Kleinbusses mit liebevollem Namen „Brötchen“ hat Yin in die Länge gezogen, sodass viele Menschen darin Platz finden. Dort stehen Hocker, und aus dem Radio tönt „Beijing Beijing“, ein alter Hit aus ihrer Geburts- und Heimatstadt. Die Ziehharmonika Collective Subconscious (2007) besteht hier sichtbar aus der Secondhand-Kleidung, dem Material, das Yin, die in Peking eigentlich Malerei studiert hat, bekannt und zu einer der Vorzeigekünstlerinnen Chinas machte. So durfte sie 2007 in Venedig den chinesischen Pavillon bei der Biennale ausstatten. Ihre Arbeit im ehemaligen Waffenarsenal hieß folgerichtig „Weapon“. Sie umwickelte alte Öltrommeln und Messer mit Secondhandkleidung und baute Skulpturen, die nicht nur wie mittelalterliche Lanzen, sondern auch wie Funkmasten aussahen; Medien können eben auch als Waffen benutzt werden.
Zurück in die Landeshauptstadt. Ein besonderes Erlebnis ist die textile Skulptur „Thought“ (2009), eine blau schimmernde Wuling (340 x 510 x 370 cm) aus Stoff und Stahl, in die man hineinkriechen kann, wenn man dafür gelenkig genug ist. Dann zeigt sich ein meditativer Raum wie eine angeschlossene Rückzugs-Wabe, die wie ein Schädel geformt ist. Yin spielt hier auf die immer weitergehende Schutzlosigkeit des Privaten hin. Im selben Jahr entstand auch „Highway“, ein gut zwei Meter breites Stück Autobahn, mit Stoff statt Asphalt, aber mit Leitplanke und Straßenlaternen. Weich wie ein Bett, aber nicht zum Drauflegen.
2001 beauftragte Siemens die Künstlerin, eines seiner Büros in China auszustatten. Yin montierte ein großes Flugzeug (Clothes Plane, 2001) aus rostfreiem Stahl und getragener weißer Kleidung, die von den Mitarbeitern selbst stammte. Eigentlich sollte dieser weiße Riese (geschätzt 600 x 1.200 cm) mit Urlaub und Fernweh positiv besetzt sein, dummerweise rauschten vier Wochen nach der Übergabe zwei Flugzeuge ins World Trade Center in New York. Die erschütterte Künstlerin fertigt seitdem Flugzeuge mit den Titeln „International Flight“. Wer lieber Moped fährt, wird die im Vergleich zu anderen winzige Arbeit „125 ccm“ (2007) lieben: In einem Betonwürfel stecken dort abgeschnittene Fingernägel, die wie ein Pelz wirken sollen. Warum? Gehen Sie hin und sehen Sie selbst.
„Yin Xiuzhen“ | bis 10.3. | Kunsthalle Düsseldorf | www.kunsthalle-duesseldorf.de
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