Das Comeback von Ferdinand Kriwet in der Kunsthalle Düsseldorf ist gelungen. Die Werkschau, die erste überhaupt zu seiner Arbeit, zieht den Besucher in ihren Sog und lässt die tägliche Reiz- und Informationsüberflutung auf sinnlichästhetische Weise spüren. Die Zeichen, die mit dem Duktus von Pop Art und Hard Edge-Kunst über die Wände der Kunsthalle laufen, entstammen ganz den Signalen und Parolen des öffentlichen Lebens.
Aber Kriwets Ausstellung rekonstruiert auch die Präsentation seiner Schriftbilder, der emblematischen Bilder, der Film- und Sound-Installationen und seinen Umgang mit Text und Literatur seit den 1960er Jahren, als Ferdinand Kriwet mitten im Zentrum der Avantgarde stand. Schon vor einigen Jahren wurde seine frühe Beschäftigung mit den (damals) Neuen Medien wiederentdeckt, mit Fernsehen und Radio in Sound- und Filmcollagen, Live-Schaltungen, eigenen Hörspielen, Filmen und Theateraufführungen.
Kriwets Sache ist der kulturelle Umgang mit den Strategien der Informationsübermittlung, der Werbung und der suggestiven Berichterstattung, etwa im Stakkato von Piktogrammen und im Geräuschpegel. Dabei erweist er sich als kritischer Analytiker gegenüber den Informationsmedien, erst recht im Zeitalter der digitalen Kommunikation. Jedoch bleibt sich Ferdinand Kriwet, der Ende der 1980er Jahre die Kunst eingestellt und 2004 wieder aufgenommen hat, treu: Er sei der letzte analog arbeitende Künstler, sagt Kriwet, der 1942 in Düsseldorf geboren wurde und heute in Dresden lebt. Seine Medien bleiben das Fernsehen, das Radio und die Schrift – auch in ihrer visuellen Gestalt und als Leuchtschrift sowie als Signet im öffentlichen Raum.
Zumal im Vergleich zu Kriwets Werk – Joel Shapiros Installation im Kölner Museum Ludwig ist ausgesprochen reduziert und wirkt unspektakulär. Sie sei (ersteres in Bezug auf das Material) „einfach und spontan, großzügig und einladend“, schreibt Kasper König im Ausstellungskatalog. Im großen Oberlichtsaal hängen monochrome Tafeln und Bretter aus Holz, das ist es auch schon. Aber jede Tafel ist anders: im Format, im Farbauftrag und der Holzsorte, dem Abstand zum Boden, der Ausrichtung. Zusammen vermessen sie den Ausstellungssaal, nehmen jedoch niemals die Linien seiner Architektur auf, scheinen hingegen plötzlich wie in Bewegung und von einem Zentrum aus in alle Richtungen zu stieben. Dabei treten sie in körperlichen Bezug zum Betrachter, der mit jedem Schritt andere Ansichten erfährt ...
Das ist der Stoff, aus dem große Kunst wird! Und mit Ferdinand Kriwet hat Shapiro nicht nur die Generation und das Besondere der Ausstellung gemeinsam, sondern auch die Inszenierung als Teil der Kunst: Das Publikum wird hier wie da zum Akteur in einem äußerst dynamischen Bühnenbild.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Bäume und Linien
Piet Mondrian in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22