Weiß kann blenden. In der Grafiketage des Museums Schloss Morsbroich umfängt, umgarnt es den Ausstellungsbesucher von der Wand und vom Boden aus, lässt ihn zu einem Teil des bildnerischen Geschehens werden, erzeugt Zeitlosigkeit und schluckt jedes Geräusch von außen. Es mindert hier jede Orientierung, so dass sich der Betrachter im Wechsel der Passagen, Zimmer und Kabinette sozusagen verliert, ehe er wieder schwarze Raumsegmente wie zum Halt vor sich hat…
Bekannt wurde Simon Schubert (*1976 in Köln) nicht nur mit derartigen atmosphärisch dichten, wuchernden Rauminszenierungen, sondern auch mit seinen schneeweißen, an Prägedrucke erinnernden Papierfaltungen, die präzise Ansichten auf Raumstrukturen zeigen. Lakonischer sind seine dichten schwarzen Graphitzeichnungen, die lange Flure und verschlossene Türen und Fensterkreuze schildern: Orte, die reine Übergange sind und die dahinter einsetzenden Orte abtrennen. Natürlich bezeichnen derartige Chiffren über die physische und psychische Intensität hinaus metaphorisch ein Tieferdringen in das eigene Bewusstsein. Bei Schubert und in seiner Leverkusener Ausstellung geht dies mit der konkreten Vorstellung einer Schachtelung und des Anbaus von Gebäudeteilen einher, hin zu einem riesigen Haus mit Räumen, die unterschiedliche Bedeutungen besitzen und eigene Geheimnisse verbergen. Sie enthalten verstörende Momente, basieren auf Dopplungen und positionieren verzauberte Wesen, erinnern an „Alice im Wunderland“ ebenso wie an Motive bei René Magritte oder Edgar Allen Poe oder in Stanley Kubrick's Film „2001: Odyssee im Weltraum“.
Schubert verweist im Museum Schloss Morsbroich zudem auf kulturgeschichtliche Vorstellungen vom Jenseits. Die Bilder, die er erzeugt, sind elementar, archaisch und futuristisch zugleich und fordern die Imagination heraus. – Das Beste ist natürlich, wenn man sich alleine in dieser Dramaturgie der aufeinander folgenden Räume aufhält, die mit einem Mal immer größer, komplexer, verwinkelter werden. Vielleicht nicht ganz so radikal wie bei Gregor Schneider – aber ebenso eindrucksvoll.
Simon Schubert – Schattenreich | bis 19.4. | Museum Morsbroich Leverkusen | 0214 85 55 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Öffentliche Orte
Mischa Kuball in Leverkusen und Marl – Kunst in NRW 01/22
Freude am Einrichten
„Interieur als Porträt“ in Leverkusen – Kunst in NRW 03/16
In allen Satteln zu Hause
Hans Salentin in Mülheim und Leverkusen – Kunst in NRW 08/13
Furcht vor dem Phänomen
„Zeitgespenster“ im Museum Morsbroich in Leverkusen – Ruhrkunst 01/13
Skulptur der Gegenwart
Ausstellungen in Leverkusen, Remagen und Herford - Kunst in NRW 08/11
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23