Selten war eine Ausstellung an ihrem Ort so heimisch wie „Topf und Deckel“ in der Villa Zanders im Stadtzentrum von Bergisch-Gladbach. Vor dem Hintergrund, dass sich hier Spitzengastronomie angesiedelt hat, und mit einem Blick für das Alltägliche, das Feierliche und die Vernichtung von Lebensmitteln in unserer Zeit beobachtet die Ausstellung, wie sich die Kunst der Küche und deren Utensilien zuwendet.
Als Inhalt einer Ausstellung ist das nicht ungewöhnlich, ja, seit Peter Kubelka Kochen zur Kunstform erklärt und Daniel Spoerri leergegessene Tafeln fixiert und als Relief an der Wand präsentiert hat, ist das Thema mit seiner Motivik in der Kunst „salonfähig“. Und es reicht u.a. mit den Genre-Darstellungen und Jagdstillleben der Niederländer weit in die Kunstgeschichte zurück. Hinzu kommen signifikante Parallelen zwischen dem Produzieren von Kunst im Atelier und dem Kreieren, Zubereiten und Präsentieren von Speisen in der Küche.
Die Schau in Bergisch-Gladbach aber widmet sich einem besonderen Aspekt. Anhand von Malereien, grafischen Blättern, Objekten, Fotografien, einem Film und Installationen, einsetzend mit Gemälden aus der Mitte des 17. Jahrhunderts fokussiert sie den Ort der Essenszubereitung und deren „Werkzeuge“.
Sozusagen leitmotivisch kehren Töpfe, Topfdeckel und Herdplatten wieder und tragen doch jedes Mal eigene Bedeutungen. Auf einem Sockel und unter einer Haube wird der geradezu winzige Herd von Rosemarie Trockel zu einem unberührbar konservierten Objekt der jüngsten Vergangenheit. Und die Böden der umgedrehten Töpfe von Tobias Hantmann schillern in verhaltener, irritierender Farbigkeit.
Eine Entdeckung ist die Hamburger Künstlerin Anna Sophie von Holleben (geb. 1937) mit ihrem monolithischen „Eintopf“ aus Buntsandstein, der mit seinen Eisengriffen noch an einen Grabstein erinnert. Der Moment des Gebrauchs kommt erst recht bei den Reihen aus 260 s/w-Fotografien von Dieter Froelich, einem ausgebildeten Bildhauer, zum Ausdruck: Typologisch in vergleichenden Schauen isolieren seine Aufnahmen einzelne Gerätschaften, Töpfe, Besteck. Zunächst nehmen wir die Formen zwischen Skulptur und Design in ihrer Besonderheit wahr, dann erkennen wir, dass diese Objekte in Benutzung waren und mithin ihre jeweils eigene Geschichte erzählen... Spannend ist auch das Spektrum der Fotoarbeiten, das mit dem „Konditor“ (1928) von August Sander einsetzt und über die wirbelnden Sequenzen von Jürgen Klauke und Anna und Bernhard Blume hin zur Darstellung der Küche als Ort des Verweilens mit den Spuren des eigenen Lebens führt: bei Knut Maron und Boris Becker.
Eine Leistung der Ausstellung ist es, Beiträge von Designern zu berücksichtigen, darunter mobile Küchen zur Versorgung Bedürftiger. Ergänzend dazu ist die Kreidelithographie von Käthe Kollwitz „Deutschlands Kinder hungern!“ ausgestellt, die über ihr Entstehungsjahr 1923 hinaus den akuten globalen, aber auch schon lokalen Mangel anspricht. Auch wenn die Ausstellung lediglich auf einem Stockwerk der Villa Zanders stattfindet, so enthält sie doch ausgesprochen viele Hinweise auf unser alltägliches Leben. Auch das macht „Topf und Deckel“ so sehenswert.
„Topf und Deckel – Kunst und Küche“ | bis 8.3.15 | Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch-Gladbach | 02202 14 23 56
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