Ob wohl einzelne der Fotografien an beiden Orten zu sehen sind? Während die meisten Ausstellungen mit Bernd und Hilla Becher vornehmlich die strengen Serien mit einzelnen Zweckbauten derselben Funktion zeigen, geht es nun gleich zweimal in NRW um die freieren Aufnahmen mit der Industrielandschaft des Ruhrgebietes: Die Zechen und Hütten sind auf diesen s/w-Fotos in ihre Umgebung eingebunden, als Einblick auch in die Großstruktur ihrer Anlagen. Zugleich vermitteln die Fotografien den Charakter dieser Region. Fotografie erzählt hier wahre Geschichten von Industrialisierung, Strukturwandel und Stilllegung. – Die eine dieser Becher-Ausstellungen findet im Museum Quadrat Bottrop statt, als Beitrag zur Kulturhauptstadt RUHR.2010. Die andere Ausstellung ist zu sehen in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung Kultur in Köln, die in ihren Aktivitäten regelmäßig auf das Werk des berühmten Fotografenpaares zurückkommt.
Bernd Becher wurde 1931 im Siegerland geboren, welches mit seinen Bergund Hüttenwerken eines der ältesten Industriegebiete Deutschlands ist. Gestorben 2007 haben er und seine Frau Hilla (die 1934 in Potsdam geboren wurde) seit 1959 zusammengearbeitet, konstant nach den gleichen Prinzipien. Motive sind die anonymen Industriebauten, wozu Wassertürme ebenso wie Fördertürme gehören, welche die Bechers systematisch in einer Region oder über Kontinente hinweg in sachlicher Fotografie festhalten und später zu Typologien zusammenstellen. Immer in s/w und geprintet im moderaten Format sind die Architekturen mit Abstand von erhöhtem Standpunkt fotografiert, wobei sie vereinzelt werden. Menschen kommen nicht vor. Hochkonzentriert und in Detailschärfe entsteht so eine archivierende Bestandsaufnahme dieser Monumente von begrenzter Lebensdauer, die noch verdeutlicht, dass jeder Typus einem bestimmten Formkanon folgt. Die Bechers haben 1969 dafür den Namen „Anonyme Skulpturen“ gefunden – selbst wurden sie mit dem Goldenen Löwen für Skulptur auf der Biennale in Venedig ausgezeichnet. Als Konzept mit minimalistischem Ansatz wurde ihre Arbeit interpretiert, als analytische Sachfotografie, aber auch als sezierendes, entschleunigendes Portrait ... Derartige Fragestellungen kehren bei ihren Schülern aus der Fotoklasse der Düsseldorfer Kunstakademie wieder, zu denen Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff und Thomas Struth gehören.
In Bottrop nun sind die verschiedenen Stahlhütten und Bergwerke des Ruhrgebiets zu sehen, erweitert noch um vergleichbare Anlagen aus aller Welt. In Köln liegt der Schwerpunkt auf der Bochumer Zeche Hannover, welche von den Bechers hauptsächlich 1973, im Jahr der Stilllegung des Steinkohlebergbaus, umfassend dokumentiert wurde. Aber selbst hier besteht eine feine Trennlinie zu aller angewandten Fotografie. Nein, die Bechers sind große Künstler, die mit ihrem Werk bescheiden auftreten und gebührend gefeiert werden.
Bernd und Hilla Becher – Bergwerke und Hütten I bis 2. Mai im Josef Albers Museum, Quadrat Bottrop I www.quadrat-bottrop.de
Bernd und Hilla Becher – Zeche Hannover bis 18. Juli in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur in Köln www.photographie-sk-kultur.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23
Aus anderer Perspektive
Szenenwechsel der Sammlung im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/23
Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23
Dialog auf Gegenseitigkeit
„yours truly,“ im Museum Schloss Morsbroich – Kunst in NRW 07/23
Malerei im Fluss
Jan Kolata in Ratingen und in Düsseldorf – Kunst in NRW 06/23
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Bäume und Linien
Piet Mondrian in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22