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„Candide“-Illustration von Paul Klee, 1911

Überleben in der besten aller Welten

24. November 2016

Bernsteins Musical „Candide“ – Opernzeit 12/16

Ein Jahr vor der dem Welterfolg „West Side Story“ brachte Bernstein 1956 das Musical „Candide“ am Broadway heraus, eine bitterböse Satire auf den Geschichtsoptimismus in einer von Chaos und Krieg bestimmten Zeit.

Voltaires berühmter Roman „Candide ou L´Optimisme“ aus der Mitte des 18. Jahrhunderts diente als Vorlage dieses Musicals. Satirisch setzt sich Voltaire mit der optimistischen Weltanschauung des Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz auseinander und führt dessen Utopie „der besten aller möglichen Welten“ ad absurdum. Voltaires Skeptizismus ist von den Katastrophen und Kriegen seiner Zeit geprägt, dem Erdbeben von Lissabon 1755 und dem Siebenjährigen Krieg in Nordamerika. Auch Bernstein lebte zweihundert Jahre später in unfriedlichen Zeiten. Die USA und die damalige Sowjetunion befanden sich Mitte der 50er Jahre im Kalten Krieg und fochten mit ihren Verbündeten Stellvertreterkämpfe im asiatischen Raum aus: Der Indochina-Krieg und der Korea-Krieg waren gerade gerade beendet, der Konflikt in Vietnam bahnte sich an. Der Rückgriff Bernsteins auf Voltaire unterstreicht somit den politischen Anspruch des Musicals. Angesichts der sich wiederholenden Kriege scheint der Mensch unbelehrbar und gerade nicht nach der besten aller Welten zu streben, sondern deren Zerstörung.

Auf einem Schloss in Westphalen lebt der junge Candide ein sorgenfreies Leben. Sein Lehrer Pangloss erzieht ihn im Sinne der optimistischen Lebensphilosophie Leibniz´. Doch das schöne Leben hat ein Ende, als Candide inflagranti mit seiner Cousine, der Tochter des Schlossherrn, erwischt wird. Candide wird vom Hof vertrieben. Der Krieg bricht aus, die Schlossbewohner kommen um, nur Candides ehemaliger Lehrer Pangloss, die Cousine Cunegonde und der Cousin Maximilian mit seiner Geliebten Paquette überleben. Die Vertreibung aus dem Paradies nimmt für alle ihren absurden Verlauf. Unglücke, Katastrophen und unwahrscheinliche Rettungen widerfahren den Figuren, die Unwägbarkeiten der Zeitläufte jagen sie einmal um den Erdball und führen sie am Ende wieder auf dem verwüsteten westfälischen Schloss zusammen. Nach all den Erfahrungen erwidert Candide dem ungebrochenen Optimismus seines Lehrers ernüchtert: „Das ist schön gesagt, aber wir müssen unseren Garten bestellen.“

Im Gegensatz zur „West Side Story“, die dem Typ des romantischen Musicals angehört, steht „Candide“ in der Tradition der Operette. Die Satire des Textes findet in ironischen Stilzitaten unterschiedlicher Epochen und Komponisten ihre musikalische Entsprechung: Große Oper, Operette, Folk-Musik und Jazz werden bunt durcheinander gemischt. Bernstein spielt in diesem Potpourri die verschiedenartigen Ausdrucksmöglichkeiten des Musiktheaters ironisch gegeneinander aus, die in klassischen Opern oft beschworene beste aller Welten führt er ad absurdum – einen Trost in der Musik gibt es nicht.

„Candide“ | 4.12.(P), 11.12., 31.12. je 18 Uhr, 7., 9., 15., 20., 29.12. je 19 Uhr | Oper Köln im Staatenhaus | 0221 22 12 84 00

Kerstin Maria Pöhler

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