Ein Loblied auf den Kameramotor. Er macht es heute möglich, aus Hunderten Bildern den einen Schnappschuss herauszufiltern. Es gab Zeiten, da war das anders, besonders für die Kriegsberichterstatter. Viel Erfahrung und natürlich auch ein bisschen Glück lieferten Fotos, die sich in das kulturelle Erbe des Weltgedächtnisses eingebrannt haben. Einer der bekanntesten Schauplatzfotografen der Welt war Robert Capa. Sein Foto von der Sekunde des Todes eines Soldaten ist zur Ikone geworden, auch wenn die Authentizität der Szene heute umstritten ist. Die Echtheit spielt für die Ausstellung „Frontline“ im NRW-Forum Düsseldorf keine Rolle. Hier geht es um die Frage nach der Wirksamkeit von Fotos, anhand von rund 200 Arbeiten von neun Fotografen der berühmten Fotoagentur Magnum.
1947 wurde die von Capa, George Rodger, Henri Cartier-Bresson und David Seymour gegründet, einmal um der Abhängigkeit von den Medien zu entgehen, andererseits aber auch, um hohe Maßstäbe an die Fotografie zu setzen. Bis heute kann man sich dort nicht bewerben, man muss erwählt werden, um Magnum-Fotograf zu werden. Wie die fünf jungen Fotografen, deren Bilder auch in der Ausstellung zu sehen sind: Thomas Dworzak, Dominic Nahr, Moises Saman, Peter van Agtmael und Alex Majoli. Sie fotografieren in den Krisenherden von heute, liefern Material aus Nordafrika und dem nahen Osten, sind gerade wieder unterwegs an die neuen Fronten.
Dabei kommen Bilder zustande, die sich mit den alten Fotografien nicht nur über die bildnerische Qualität vergleichen lassen. Interessant ist auch die Duplizität in den Peripherien der Motive. Schaut man bei David Seymour im Foto „Extremadura“ (1936) auf die einzelne Figur im Zentrum der Betrachtung, sieht man neben der Bäuerin, die fast andächtig entrückt einer politischen Ansprache lauscht, auch ein junges Mädchen, das den Vorgang des Fotografierens genau beobachtet. Ebenso ist das im Foto „Tripolis“ (2011) von Moises Saman zu beobachten, wo sich Gaddafi-Anhänger freiwillig als menschliche Schutzschilde zur Verfügung stellen. Auch hier die Entrückung der Zentralfigur mit einem weniger beteiligten Beobachter. Dazu kommen heute fast grafisch gestaltete Bildinhalte aus großer Entfernung, aber auch Fotografien mit dem Potential auf Eingang ins kulturelle Gedächtnis.
Das ist heute angesichts der vielen digitalen Medien in privater Hand natürlich schwieriger geworden, dazu kommt, dass die laufenden Bilder in Fernsehen und Internet den Magazinfotos bei der breiten Masse der Zuschauer den Rang abgelaufen haben. Was ist schon das Foto eines entrückten Kämpfers in Libyen gegen die live mitgefilmte Erschießung von Gaddafi? Capas berühmter Satz: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann bist du nicht nah genug dran“ ist heute bei der Masse der Möglichkeiten für jedermann kaum noch hilfreich. Und doch sind die Aufnahmen der Magnum-Fotografen etwas Besonderes: Sie frieren die 1/1000stel Sekunde, vielleicht für die Ewigkeit.
„Frontline“ I bis 8. Januar 2012 I NRW-Forum Düsseldorf I 0211 892 66 90
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