Die Ausstellung mit Jannis Kounellis passt genau hierher. Das Museum Kurhaus Kleve führt mit ihr seine Reihe zu den Hauptvertretern der Arte Povera fort, die seit den späten 1960er Jahren mit „billigen“ Materialien v.a. der Natur und im Zugriff auf die Kultur der Antike eine neue Form von Objektkunst zwischen Tradition und Avantgarde geschaffen haben. Aber nicht deshalb allein ist die Klever Ausstellung wichtig: Der 1936 in Piräus geborene, seit 1956 in Rom lebende Kounellis ist ein Künstler von Weltrang. Und jede seiner Ausstellungen, die er in der Regel selbst konzipiert, liefert einen Einblick in den Kosmos seines Denkens. So ist es nun auch in Kleve. Flankiert von zentralen Werken aus seinem gesamten Schaffen ist eine neue Bildfolge zu sehen: Kounellis hat einen Mantel in Teer getaucht und auf weiße Leinwände gedruckt, die ihrerseits mittig auf Stahlplatten aufgezogen sind, so dass sich der Abdruck mitunter auf diesen fortsetzt. Die Monotypien selbst fallen verschieden aus, wobei sie stets von einer fragmentarischen Ungegenständlichkeit und zugleich körperhaften Realität gekennzeichnet sind. Immer sind sie auf den Menschen und seine Vergänglichkeit bezogen, inszeniert als Drama der Existenz – wie im ganzen Werk von Kounellis. Natürlich schwingt der Prozess der Entstehung mit, dazu trägt auch der Teer bei: Kohle und Feuer gehören zur künstlerischen Substanz von Jannis Kounellis, der auch theatralische Aktionen durchgeführt hat.
Natürlich ist Kounellis ein Verwandter im Geiste von Joseph Beuys, und auch deshalb ist die Ausstellung hier am rechten Ort. Denn Beuys wurde nicht nur 1921 in Kleve geboren, sondern hatte im späteren Museum Kurhaus 1957-64 sein Atelier. Beuys' frühe Förderer waren die Brüder Franz Joseph und Hans van der Grinten, die Ausstellungen mit ihm am Niederrhein durchgeführt und seine Kunst in großen Mengen gesammelt haben und diese später in eine Stiftungs-Konstruktion mit dem Land NRW sowie der Familie von Steengracht als Hausherren eingebracht haben, um im Park und Schloss Moyland ein Museum einzurichten. So wichtig und respektabel dieses Museum mit der weltweit größten Beuys-Sammlung seit seiner Eröffnung 1997 auch ist, an der Konzeption der Brüder van der Grinten entzündete sich schnell Widerspruch. Nach dem altersbedingten Rückzug der Brüder als Direktoren flogen dann die Fetzen, aber mittlerweile scheint unter der umsichtigen, dabei konsequenten Direktion von Bettina Paust endlich Ruhe eingekehrt. Eine zentrale Maßnahme war die Umgestaltung der Präsentation im Schloss, die seit einigen Wochen wieder zu sehen ist. Nun hängen die Bilder sachlich linear nebeneinander; nun ist das Werk von Beuys auch systematisch aufbereitet – und all die Bezüge, die sein Werk zu Alchemie und Anthroposophie, zu Mystik und Theatralik hat und von ihm noch mit seiner Biographie verwoben wurden, sind nun weiter anschaulich. Natürlich sollte man von Kleve nach Moyland und von Moyland nach Kleve fahren: Sie liegen am Niederrhein nur einen Steinwurf auseinander.
„Jannis Kounellis“ I bis 29.1. im Museum Kurhaus Kleve I www.museumkurhaus.de
„Neupräsentation der Sammlung“ I bis auf weiteres im Museum Schloss Moyland bei Bedburg-Hau I www.moyland.de
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