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Fabrikarbeiter in Guantanamo-Orange
Foto: Bettina Stöß

Auf Droge in die Fabrik

26. April 2018

„Moskau, Tscherjomuschki“ von Schostakowitsch in Gelsenkirchen – Oper in NRW 05/18

Dimitri Schostakowitsch galt nicht gerade als sonniges Gemüt. Das liegt sicher an seinen Porträtfotos, auf denen er fast immer ernst bis düster dreinblickte. Aber zweifellos noch mehr an vielen seiner Werke voller Melancholie, tiefer Trauer und scharfem Sarkasmus. Verwunderlich war das nicht: Schostakowitsch zog sich schon als junger Komponist Mitte der 1930er Jahre den persönlichen Unmut Stalins zu. Dem hatte seine erfolgreiche Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ gar nicht gefallen, und Schostakowitsch lebte danach in ständiger Angst, im Straflager zu enden. Erst nach Stalins Tod komponierte er wieder für die Bühne – und zeigte sich 1959 von einer überaus humorvollen, ungeahnt leichten Seite: mit der Operette „Moskau, Tscherjomuschki“. Das Gelsenkirchener Musiktheater hat es auf seine Bühne gebracht und dazu einen bewährten Publikumsliebling engagiert: den Schauspieler und Chansonnier Dominique Horwitz.

Als Regisseur ist Horwitz ein Neuling und ein ehrgeiziger dazu. Die leichte Operette reicht ihm nicht; die Story um den Kampf um begehrte Neubauwohnungen in der titelgebenden Moskauer Trabantenstadt erschien ihm nicht mehr zeitgemäß. Also machte Horwitz aus der Operette eine Revue, dampfte die Handlung auf sporadisch eingespielte Hörspielpassagen ein und arrangierte auch die Musik ein wenig um. Die Story bleibt so weitgehend auf der Strecke. Wer sie nicht kennt, bleibt ratlos.

Langweilig ist diese Revue deshalb nicht. Das ursprüngliche Handlungsgerüst ersetzt Horwitz mit Versatzstücken aus Aldous Huxleys „Brave New World“: Aus der sowjetischen Spielzeugfabrik wird eine Art Arbeitslager mit gestrengen Aufsehern, orangefarbenen Sträflingsoveralls und obligatorischen Glückspillen, um die Arbeiter gefügig zu machen. Huxleys „Soma“ lässt grüßen: „Ein Gramm versuchen, ist besser als fluchen.“ So erdulden die Ausgebeuteten auch, dass sie nach der Arbeit in einen heruntergekommenen Keller gepfercht werden, in dem es nicht einmal genügend Betten gibt. Die Droge macht sie zur willfährigen Masse. Das alles erinnert an Nordkorea. Doch tatsächlich will Horwitz wohl auch den Kapitalismus kritisieren, was in der Radikalität der roboterhaft durchchoreografierten Arbeiterschaft allerdings nicht gleich auf der Hand liegt.

Diese Choreografien in der Fabrik oder beim kollektiv verordneten Frühsport sind rein optisch die Stärke der Inszenierung. Den Darstellern lässt das allerdings nicht viel Raum zur Charakterisierung ihrer Figuren. Anke Sieloff und Rolf Scheider, Bele Kumberger und Urban Malmberg sowie Petra Schmidt und Adrian Kronenberger haben allesamt das Zeug zur lebendigen Operette. In dieser Fassung dürfen sie das fast nur gesanglich unter Beweis stellen. Und selbst die musikalische Seite (Leitung: Stefan Malzew) leidet spürbar unter der statischen Überästhetisierung.

„Moskau, Tscherjomuschki“ | R: Dominique Horwitz | 28.4., 11.5. 19.30 Uhr, 21., 31.5. 18 Uhr | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | www.musiktheater-im-revier.de

Karsten Mark

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