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Alexander Becker
Foto: Björn Hickmann

„Das ist fast schon eine Satire“

28. Juni 2024

Alexander Becker inszeniert „Die Piraten von Penzance“ am Opernhaus Dortmund – Premiere 07/24

Am Opernhaus Dortmund inszeniert Alexander Becker die Musikkomödie von Librettist William Schwenck Gilbert und Komponist Arthur Sullivan. Darin sucht Pirat Frederic den Weg zurück in die Gesellschaft. Da er jedoch in einem Schaltjahr am 29. Februar geboren wurde und somit bislang nur fünf Geburtstage erlebt hat, ist seine Seeräuberausbildung noch nicht beendet.   

trailer: Herr Becker, der Hype um Captain Jack Sparrow machte die Auswahl des Stücks für die Junge Oper wohl zwingend, oder?

Alexander Becker: Captain Sparrow macht sozusagen mit. Da wir eine Dortmunder Neufassung der Piraten von Penzance machen, gibt es bei uns natürlich auch Zitate in die Richtung von Jack Sparrow. Wir haben sogar musikalische Ausschnitte von Fluch der Karibik mit dabei, auch, um das Stück ein bisschen zugänglicher und moderner zu machen. 

Unter dem Strich ist das aber, wie immer, eine Love Story – hier mit an den Haaren herbei gezogenen Handlungssträngen, oder?

Richtig. Das ist fast schon eine Satire, die wir aber ein bisschen aufzubrechen versuchen und tiefer in die Charakteren zu gehen. Was in dem Stück wirklich schwierig ist, aber da wir das Stück für ein junges Publikum machen, versuchen wir das auch moderner zu inszenieren. 

Wie schafft es der Regisseur denn, dieses Spannungschaos für die Zuschauer:innen über zwei Akte hochzuhalten?

Das schafft er. Tatsächlich haben wir auch auf der Bühne viele junge Akteure. Das ist dem ursprünglichen Stück ja nicht der Fall, da gibt es eine Piratengang und ein Mädchenrudel und noch einzelne Figuren, aber wir haben das geschafft, da wir ja viele Spielclubs haben, dass wir alle miteinbeziehen. Für uns war die Frage wichtig, wie man das Stück eigentlich aus heutiger Kinder- aber auch Erwachsenensicht erzählen kann. Das brechen wir mit unserer neuen Textfassung auf und fügen zusätzliche Elemente ein, die aus Sicht der Kinder fragen: Was macht überhaupt Piraten interessant? 

Kommt der britische schwarze Humor über Obrigkeiten in der Inszenierung noch vor?

Vielleicht dadurch, dass wir uns entschlossen haben, die Texte, die gesungen werden, auf Englisch zu belassen. Dadurch wird unglaublich viel transportiert – und es wird Übertitel geben. Wir versuchen über die neue deutsche Textfassung das ganze Geschehen besser zu erklären. Weil sonst ist man verloren, wenn man das gar nicht kennt. Und ich denke, wir kriegen den britischen Humor da trotzdem gut mit rein. 

Als partizipatives Projekt der Jungen Oper: Dürfen die jugendlichen Darsteller:innen nur singen oder auch fechten?

Singen auf jeden Fall. Fechten kommt auch vor. 

Wie wichtig ist das Bühnenbild?

Das Bühnenbild ist sehr wichtig, weil wir ja eine andere Zeitebene aufmachen. Angelegt ist das Stück um 1800 rum. Wir erzählen es aus der Sicht der Ruth, dem Kindermädchen der Piraten sozusagen, in ihrer Vergangenheit. Das wird hauptsächlich in den 1980er Jahren spielen. Bühne und Kostüme orientieren sich also an einem 80er-Jahre-Bühnenbild in und am Rand von Cornwall. Wir bleiben also schon britisch und auf dem Land, aber eben in einer anderen Zeitebene. 

Wie erklärt man den etwas Jüngeren die Krux mit dem Schaltjahr?

Das wird über den Text und das Spiel ein bisschen doppelt erklärt. Wir wollen ganz deutlich machen, dass alle klar wissen, was da passiert ist. 

Wie behält man die Kontrolle über so viele Figuren und Darsteller:innen?

Wir haben 98 Darsteller auf der Bühne und 40 Musiker im Orchestergraben. 

Geht das ohne Peitsche?

Das geht ohne Peitsche. Das muss logistisch sehr gut vorbereitet werden, weil wir ja auch 200 Kostüme haben. Und wir haben eine spektakuläre Kampfszene am Ende des zweiten Aktes, wo die ganze Bühne bis in den Zuschauerraum bekämpft wird. Aber alle sind sehr diszipliniert und haben viel Spaß, sodass das mit allen Abteilungen gut funktioniert. 

Wie engagiert sind denn die jungen Leute in Bezug auf Oper?

Tatsächlich sehr. Der Effekt ist, den wir bereits auch bei Orpheus in der Unterwelt hatten, dass die jungen Menschen erst einmal relativ neutral rangehen – und der erste Kontakt ist immer erstmal befremdlich. Aber mittlerweile ist es so, dass viele die Musik und die Texte auswendig können und sich damit beschäftigen und lernen, so bekommen sie auch einen Zugang zu dieser Art von Musik. Es ist unser Ziel, dass wir eben Texte ausgraben, wo die Zugänglichkeit erstmal nicht vorhanden ist und es dann immer zugänglicher wird. 

Was wird denn aus Queen Victoria, wenn das in den 1980ern spielt?

Die wird zur Queen Elizabeth. 

Welchen positiven Effekt hat ein solches Projekt für die Kultur in Dortmund?

Die Arbeit, die wir hier zielgerichtet an den jungen Erwachsenen leisten, hat den Effekt, dass viele der Mitwirkenden die Liebe zum Theater entdecken und das Ziel haben, später in die Kultur zu gehen. Aus den letzten Projekten sind Teilnehmer nun auf die Schauspielschulen in ganz Deutschland verteilt. Wir sehen den direkten Effekt auch darin, dass unser Publikum gerade im Hinblick auf Oper altersmäßig sehr divers ist. Das hat in den letzten Jahren stark zugenommen, dass sehr viele junge Leute in die klassische Oper gehen. Wir haben als Einsteigermodell „Die Zauberflöte“. Da haben sie dann plötzlich das Gefühl, sie sind in einer Schüleraufführung. 

Die Piraten von Penzance | 30.6. 18 Uhr (P), 1.7. 11 Uhr, 4.7. 18 Uhr | Opernhaus Dortmund | 0231 5027222

Interview: Peter Ortmann

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