Mit Thomas Ruff stellt einer der hierzulande wichtigsten Fotokünstler in der Kunsthalle Düsseldorf aus. Ruff wurde 1958 in Zell am Harmersbach geboren, er hat an der Düsseldorfer Kunstakademie in der Fotografie-Klasse von Bernhard Becher studiert und gehört mit Candida Höfer, Andreas Gursky und Thomas Struth zu den international erfolgreichen Protagonisten der „Düsseldorfer Fotoschule“. Indes entzieht er sich mit seinem Werk jeder schnellen visuellen Vereinnahmung. Sein Interesse gilt der Fotografie als Medium mitsamt ihrer Historie und ihrem technischen Fortschritt.
Nachdem er lange selbst fotografiert hat, arbeitet Ruff heute mit fotografischem Fremdmaterial, also mit vorhandenen Negativen und mit Bildern aus dem Internet. In den letzten Jahren hat er sich dem Fotogramm als Verfahren und spezifische Darstellungsform zugewandt. Dazu hat er einen digitalen, virtuell dreidimensionalen Raum entwickelt, in den er – am Computerschirm – noch eingreifen kann; zugleich schleust er Farben in das Fotogramm ein.
Die letzte, von ihm selbst aufgenommene Werkgruppe aber zeigt zu Beginn der 2000er-Jahre grün leuchtende „Nächte“. Unter dem Eindruck der medialen Berichterstattung des zweiten Golfkrieges mittels Nachtsicht-Aufnahmen, hat Ruff mit einer Kleinbildkamera mit Restlichtverstärker seine urbane Umgebung in der Dunkelheit fotografiert. Entstanden sind menschenleere, sachliche Aufnahmen, die aber in ihrer Leere, im Ausschnitthaften, mit dem sie wie aus einem Versteck fotografiert sind, etwas Bedrohliches tragen, ja, an ein Kriegsgebiet erinnern.
Die Düsseldorfer Ausstellung demonstriert mit diesen und weiteren Serien, wie unterschiedlich doch die Werkgruppen sind und dass Ruff tatsächlich für jede von ihnen einen eigenen Ansatz und adäquate Verfahren gewählt hat. Die Bilder – die vom kleinen Format bis hin zum monumentalen Abzug reichen – werden als geschlossene Werkgruppen in Bändern oder mit Abstand zueinander präsentiert. Wie Malerei wirken etwa die riesigen Abzüge der „Sterne“ – die vielleicht bekannteste Werkgruppe von Thomas Ruff – bei denen er auf 29 x 29 cm große Negative zurückgegriffen hat, die vom European Southern Observatory in Chile mit einem speziellen Teleskop-Objektiv aufgenommen wurden. In den Ausschnitten von Ruff wirken die Himmel als unfassbare Flächen mit einem absoluten Schwarz. Die größte Abstraktheit trifft mit der größten Konkretheit zusammen. Ruff thematisiert hier, wie in vielen seiner Werkgruppen, das Phänomen Licht: als Medium des Sehens (und Basis der Fotografie) und als Demonstration für etwas, das schon längst vorbei, erloschen ist.
„Thomas Ruff – Lichten“| bis 11.1.15| Kunsthalle Düsseldorf | 0211 899 62 43
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Worin wir verbunden sind
Feministische Kunst in Düsseldorf – Kunst 07/23
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22
Die Heimat im eigenen Körper
„Journey Through A Body“ in Düsseldorf – Kunstwandel 07/21
Helden der Malerei
Oehlen und Dunham in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/20
Spuren von daheim
Karl Schmidt-Rottluff-Stipendiaten in der Kunsthalle Düsseldorf – kunst & gut 10/19
Drei Akte
Megan Rooney in Düsseldorf – Ruhrkunst 08/19
Künstler für Künstler
„d-polytop“ in Düsseldorf – Ruhrkunst 04/19
Ein Macher von Ausstellungen
Harald Szeemann in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/18
Gegenwart malen
Eine Doppelausstellung von Liu Xiaodong in Düsseldorf – Kunst in NRW 07/18
Strategien gegen das Chaos
Welcome to the Jungle in Düsseldorf – Ruhrkunst 04/18
Der Mensch, die Zeit, der Irrsinn und die Welt
„Welcome to the Jungle“ in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 03/18
„Wir sehen die Kunsthalle auch als eine Art von Anti-Museum“
Kunsthallen-Leiter Gregor Jansen und Kuratorin Anna Lena Seiser über „Akademie [Arbeitstitel]“ – Sammlung 11/17
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23