Es gehört zu den kuriosen Folgen der Corona-Krise, dass auf den Opernbühnen plötzlich ein Genre eine breite Renaissance erlebt, das unter normalen Umständen mal als ziemlich speziell gegolten hat: die Barock-Oper. Abgesehen von ein paar wenigen bekannteren Händel-Werken schaffte es kaum eine davon mal auf den Spielplan eines Stadttheaters. Durch die Notwendigkeit, auf den Bühnen nun mit weniger Personal auskommen zu müssen und Stücke mit überschaubarer Länge auszuwählen, kommt ein 330 Jahre altes Stück des britischen Komponisten Henry Purcell wieder zu Ehren, das in den vergangenen Jahren zwar unangefochten als Meisterwerk und Meilenstein der Musikgeschichte galt, aber eher im Konzertsaal als szenisch auf einer Opernbühne zu erleben war: „Dido and Aeneas“.
Romeo-und-Julia-Konstellation der Antike
Dido und Aeneas waren die Romeo-und-Julia-Konstellation der Antike: Dido ist Königin von Karthago, eine Witwe, die nach dem Tod ihres Gemahls eigentlich mit den Männern abgeschlossen hatte. Da kommt der Prinz Aeneas als versprengter Überlebender der Schlacht um Troja nach Nordafrika und verliebt sich unsterblich in Dido. Seine Liebe wird erwidert – was direkt in die Katastrophe führt. Denn Aeneas kann seine Selbstverwirklichung getrost abhaken: Die Götter haben ihn auserkoren, die Stadt Rom zu gründen. Das Angebot kann er schlecht ablehnen und geht. Die verlassene Dido verfällt darüber in so tiefe Gram, dass sie sich letztlich das Leben nimmt.
„Lucrezia Borgia“ muss warten
Regisseur Ben Baur sollte in dieser Spielzeit eigentlich Donizettis „Lucrezia Borgia“ auf die Bühne der Essener Aalto-Oper bringen. Dieses Vorhaben ist nun erstmal auf die lange Bank geschoben. „Dido and Aeneas“ ist ein Stück im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten: Es dauert nur eine knappe Stunde und spielt in einem überschaubaren Kreis. Die Ensemblemitglieder Jessica Muirhead und Tobias Greenhalgh sind die beiden Protagonisten der Essener Inszenierung. Giulia Montanari, Christina Clark, Bettina Ranch und Albrecht Kludszuweit ergänzen die Besetzung in den kleineren Partien als Didos Vertraute Belinda, als Hexen, als Zauberin, die Aeneas zur Abreise drängt und als Matrose. Die musikalische Leitung übernimmt Andrea Sanguineti am Pult der Essener Philharmoniker.
Dido and Aeneas | R: Ben Baur | 2.1. 16.30 Uhr (Premiere), 9., 16.1. je 18 Uhr, 11.2. 19.30 | Aalto Theater Essen | 0201 81 222 00
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