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Leoš Janáček und seine Frau 1881
Foto: gemeinfrei

Vergänglichkeit kann Erlösung sein

24. April 2019

Leo Janaceks Oper „Die Sache Makropulos“ – Opernzeit 05/19

Der Mensch versucht auf verschiedenste Weise die eigene Endlichkeit zu bewältigen: Allen Erklärungsversuchen gemein ist die Frage nach dem Sinn des Lebens, wenn es letztendlich durch den Tod ausgelöscht wird. Ist der Tod ein Indiz für die Sinnlosigkeit allen menschlichen Strebens?   Es gibt keine allgemeingültige Beantwortung der Frage für die Menschheit und man stößt schnell an individuelle Glaubenssätze. Das Wissen um den eigenen Tod beunruhigt trotz aller Erklärungsmodelle von Philosophie, Religion und Naturwissenschaften die Menschheit zutiefst. Das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit wird zum Motor, zum kreativen Stimulans verschiedenster Aktivitäten oder Aktionismus, um sich vom passiven sterblichen Geschöpf zum aktiven Schöpfer über den Tod zu erheben. Die Alchemie suchte in der Vergangenheit nach einem Lebenselixier zur Überwindung des Todes – heute beschäftigen sich Medizin und Genforschung mit der Verlängerung des menschlichen Lebens über die magische Zahl einhundert hinaus.

Im Zentrum der 1926 in Brünn uraufgeführten Oper, die auf der Komödie (!) von Karel Capek basiert, steht Emilia Marty. Sie ist eine berühmte Sängerin, eine Diva, die sich als Wanderin durch die Zeiten nach Unsterblichkeit sehnt. Die alchemistische Rezeptur ewiger Jugend, die Sache Makropulos, verhilft ihr, das Altern um 300 Jahre aufzuhalten. Sie zahlt dafür einen hohen menschlichen Preis, denn sie muss ihr unmenschliches Geheimnis hüten, verschiedene Identitäten annehmen und ein Leben auf der Flucht führen. Menschliche Beziehungen sind ihr nur für die Dauer von Lebensabschnitten möglich, da sonst die Anderen ihre ausbleibende Alterung bemerken würden. Einmal in ihrem Leben hat sie einen Mann wirklich geliebt und ihm das Geheimnis ihrer Jugend verraten, um ihn nicht überleben und alleine bleiben zu müssen. Er hat die Rezeptur ausprobiert und ist daran gestorben. Daraus zieht sie die bittere Konsequenz: Nähe kann gefährlich werden – sie hält Distanz, um sich selbst zu schützen.

Dabei vereinsamt sie immer mehr, während sich trotz ihrer abweisenden Haltung die Verehrer um sie drängen und ihre Nähe suchen. Sie wird zunehmend zu einer Kunstfigur, einem Idol für „Ewig jung, Ewig schön“,von ihren Bewunderern als Projektionsfläche ungelebter Sehnsüchte und Fantasien missbraucht. Das verlängerte Leben ist für Emilia zu einer unerträglichen Wiederholung, einer Tortur des Ewiggleichen geworden – äußere Bewunderung und persönlicher Zerfall, innere Leere und Zynismus stehen in einem immer paradoxeren bis hin zur Groteske verzerrten Verhältnis zueinander. Sie sehnt sich nach dem Tod, da sie selbst erfahren hat, dass die Endlichkeit dem Lebenslauf einen Spannungsbogen gibt, ohne den es ihr unmöglich war, das Hier und Jetzt in seiner Einmaligkeit zu erleben und zu gestalten: Werden und Vergehen kann Erlösung sein.

„O Gott, wenn ich nur sein könnte wie ihr! Ich wäre ein junges Mädchen, ich wäre eine Frau, ich wäre glücklich, ich – wäre ein Mensch!“

Wo zu sehen in NRW?

Oper Bonn: 4.5.,19., 26., 31.5., 19.6. | 0228 77 80 08

Kerstin Maria Pöhler

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