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Don Carlos, Stahlstich nach einer Zeichnung von Friedrich Precht, 1859
Foto: Presse

Die unheilige Allianz von Staat und Religion

26. Januar 2017

Verdis Oper „Don Carlo“ – Opernzeit 02/17

Spanien 1560: Kirche und Staat führen gemeinsam ein Terrorregime. Andersdenkende werden als Ungläubige gebrandmarkt und im Namen Gottes auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Und dennoch erhebt sich die Stimme der Freiheit gegen die Unterdrückung.

Verdis Oper liegt Schillers gleichnamiges Drama zu Grunde, in dem Familientragödie und Historisches Drama aufs engste miteinander verwoben sind. Thronfolger Don Carlo und Elisabeth von Valois sind einander versprochen und lieben sich, doch um den Frieden zwischen Frankreich und Spanien zu festigen, besteht für Spaniens König Philipp akuter Handlungsbedarf: Aus Gründen der Staatsraison ehelicht er die Braut seines Sohnes, die nun, in die Mutterrolle gedrängt, Carlos Drängen und ihrer Neigung nicht nachgeben darf. Für ihre Liebe gebe es kein Hoffen mehr, ohne sich der Todsünde der Mutterehe und des Vatermordes schuldig zu machen, entgegnet sie dem verzweifelten Werben des Liebenden.

Der Vater begegnet seinem Sohn mit Misstrauen und hält ihn für keinen geeigneten Nachfolger auf dem Thron. Der Liebeskonflikt und die erlittenen Kränkungen machen Don Carlo umso empfänglicher für das Vorhaben seines einzigen Freundes am Hof, Marquis Posa, der sich für die Befreiung der spanischen Provinzen in Flandern einsetzt. Dieser ermutigt ihn, seine hoffnungslose Liebe zugunsten des Befreiungskampfes aufzugeben und sich gegen den übermächtigen Vater zu erheben. Die Freunde geraten in ein Geflecht politischer und privater Intrigen, die auch ihre Freundschaft in Zweifel ziehen. Von der Kirche unter Druck gesetzt, sieht sich der König schließlich gezwungen seinen eigenen Sohn zu opfern, um seinen absoluten Herrschaftsanspruch von Gottes Gnaden zu erhalten.

Der Schluss der Oper ist ein coup de theatre, der von Schillers Vorlage abweicht: Der Geist Karl V. – jener machtmüde Habsburgerherrscher, der nach 40 Jahren an der Spitze seines Weltreiches abdankte und sich resigniert in ein Kloster zurückzog – greift als Korrektiv ein und errettet seinen Enkel Don Carlo vor dem Zugriff der Inquisition. Die Stimme der Freiheit mag in der Welt verstummen, doch findet sie vor höherer Instanz Gehör. Auch die großangelegte Ketzerverbrennung im Autodafé, dem Mittelpunkt der Oper, erfährt eine Korrektur, wenn die Stimme vom Himmel die Erlösung der Opfer verkündet und damit das grausame Vorgehen der Inquisition konterkariert. An diesen beiden von Schiller abweichenden Stellen offenbart Verdi sein inständiges Vertrauen auf eine höhere Gerechtigkeit und sein tiefes Misstrauen weltlichen und geistlichen Machthabern gegenüber. Auch zur Zeit der Uraufführung 1867 in Paris erschütterten Kriege und nationales Hegemoniestreben Europa, ein Leben in Freiheit und Frieden war genau wie zu Schillers Zeiten Utopie.

Im Sinne der dramatischen Vorlage erweitert Verdi die sonst für seine Opern typische Dreieckskonstellation der Frau (Sopran) zwischen zwei Männern (Tenor und Bariton/Bass) und verknüpft den familiären Liebeskonflikt zwischen Elisabeth-Don Carlo-Philipp mit den machtpolitischen Bestrebungen der Intrigantin Eboli (Mezzosopran), des Freiheitskämpfers Posa (Bariton) und des Großinquisitors (Bass). Aus dieser komplexen Personenstruktur folgt eine vielschichtige und vielfältige dialogische Auseinandersetzung, die mit italienischer Duett-Konvention wenig gemein hat: In der düsteren Szene zwischen den beiden Bässen (!) König Philipp und Großinquisitor, ist letzterer durch ein rhythmisches Motiv gekennzeichnet, das unerbittlich wirkt, Celli und Kontrabässe spielen einstimmig in einer tiefen Lage, Fagott und Kontrafagott – in keiner anderen Oper verwendet Verdi dieses Instrument sonst – ergänzen das unheimliche, dunkle Klangbild, das König Philipp droht und in den Abgrund zu ziehen scheint. Ohnmächtig überantwortet er seinen Sohn der Inquisition. Religion pervertiert in Verbindung mit absolut gesetzter Macht zur Ideologie. Hass, Vernichtung und Krieg sind die Folge – damals wie heute.

„Don Carlo“ | R: Guy Joosten | 1.2., 17.2., 24.2. 19.30 Uhr | Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf | 0211 892 52 11

Kerstin Maria Pöhler

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