Wir fallen zweimal. Dazwischen passiert alles andere. Wir fallen aus unserer Mutter heraus, und dann, viele Jahre später fallen wir noch einmal und stehen nicht wieder auf. „Und das war’s, dort haben wir getanzt. Zwischen dem Fallen.“ So beschreibt ein Choreograf die Klammer unseres Lebens als zwei Bewegungen, die über unser Schicksal entscheiden. Wim Vandekeybus sitzt in Brüssel und schreibt an sein Publikum in Köln. Er erinnert daran, dass unser Leben zunehmend normiert wird und der Wunsch, jedes künstlerische Erzeugnis in moderate Verständnis-Schablonen einsortieren zu können, mit der Digitalisierung eher zu- als abnimmt. Der Tanz wurde zu etwas, „das die Allgemeinheit verstehen können sollte“, meint Vandekeybus. Dabei liegt in ihm eine Unberechenbarkeit, die erst die Türe zu Erfahrungen öffnet, die jenseits allen Sprachverständnisses angesiedelt sind.
Wie das konkret aussieht, kann man in der kommenden Spielzeit im Rahmen der internationalen Tanzgastspiele beobachten, zu denen Hanna Koller, die Kuratorin der Reihe für die Kölner Bühnen, ein Programm mit einigen der weltweit innovativsten Kompanien zusammengestellt hat. Wie unsere Zeit ins Trudeln geraten ist und wir verunsichert nach einer Balance suchen, das zeigt der Londoner Choreograf Hofesh Shechter in seiner neuen Produktion „Grand Final“. Im Tanz verlangt jede Bewegung nach einer Gegenbewegung und so zeigt Shechter neben den Fallen auch das Auffangen in all seiner Virtuosität.
Shechter kommt im November nach Köln, im Dezember gibt es dann die Abschiedsvorstellung von Akram Khan, der mit dem Solo „Xenos“ seine Bühnenkarriere beendet. Khan schlüpft in die Rolle eines überseeischen Soldaten, der im Ersten Weltkrieg wider besseren Wissens für England ins Feld ziehen soll. Eine wuchtige Demonstration der Fremdheit, in die Menschen auf dieser Erde geraten können.
Bis in die archaischen Tiefen des Tanzes will Wim Vandekeybus mit seiner neuen Produktion „TrapTown“ hinabsteigen, an der zurzeit noch gearbeitet wird. Im Februar ist er mit ihr zu Gast in Köln. Beendet wird die Spielzeit mit der aktuellen Produktion von Peeping Tom. Die ersten beiden Stücke dieser in Belgien beheimateten Kompanie „Vader“ und „Moeder“ begeisterten das Kölner Publikum auf der ganzen Linie. Jetzt steht mit „Kind“ eine visionäre Arbeit über die Ängste der Kindheit an. Das Choreografen-Paar Gabriela Carrizo und Franck Chartier variiert sein Thema, indem es zeigt, wie sich mit der Entwicklung des Kindes auch neue Horizonte öffnen. Vor allem locken die beiden jedoch mit Bildern, die anders sind als alles, was man im Theater jemals gesehen hat.
Man darf sich aber auch auf die neuen Choreografien von Sasha Waltz und Marco Goecke freuen, dessen Arbeiten die Spielzeit im Oktober eröffnen. Bilder von großer Zärtlichkeit bietet das Ballet du Grand Théâtre de Genève mit seiner Interpretation von „Roméo und Juliette“. Wie die Liebe den Hass gegen das Fremde herausfordert, zeigt die Kompanie mit subtiler Eleganz. Ein imponierendes Programm wartet auf das Publikum am Rhein.
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