Rockfestivals sind die manifestierte Verschwendung – über 600 Tonnen Müll wird jedes Jahr allein bei Rock am Ring erzeugt. So ernst muss man es mit dem Hedonismus dann auch nicht nehmen, also setzen wir dieses Jahr auf Nachhaltigkeit. Dosenbier, Wegwerfzelt und Grillkohle müssen zu Hause bleiben, denn alle Festivals dieser Kolumne sind per Regionalzug erreichbar.
Aber zuerst die Verkehrsdurchsage. Zwei Städte kann man dieses Jahr leider weitläufig umfahren: Duisburg und Bonn. Das Duisburger „Traumzeit“wird leider aufgrund von Sponsorenmangel dieses Jahr nicht stattfinden. Das 30. Jubiläum der kostenlosen Bonner „Rheinkultur“muss jedoch mangels Unterstützung durch die Stadt bei gleichzeitig gestiegenem Aufwand für Sicherheit und Logistik ausfallen. Das ebenfalls kostenlose „Pfingst-Open-Air“in Essen-Werden, das letztes Jahr Probleme mit den nach der Loveparade verschärften Sicherheitsauflagen hatte, findet dagegen wieder statt und hat mit der SoullegendeSharon Jones & The Dap Kingsauch einen fulminanten Headliner am Start.
Auch die beiden großen Elektronikfestivals sind nicht dem aus dem Woodstocker Urschlamm entstiegenen Mythos des Festivalcampens verfallen, sondern bemühen sich um guten Anschluss. Dabei hat man sich auf eine Arbeitsteilung verständigt. Das Düsseldorfer „Open Source“gibt sich dieses Jahr distinguiert. Das Minimal Concrète-Ensemble vonBrandt Bauer Frickbittet ebenso zum Tanz wieMouse on Mars, deren Liveshows avanciertes Klangbasteltum mit Breakbeats vereinen. Das Dortmunder „Juicy Beats“ist dagegen für die große Party zuständig. Die BerlinerModeselektorund ihr Four-to-the-Floor-Techno dürften auf der internationalen Bekanntheitsskala mit Maßeinheit Kraftwerk mittlerweile im oberen Drittel zu finden sein.DJ Kozebelegt seit Jahren Spitzenplätze in der Rangliste der beliebtesten DJs und teilt sich die Bühne mit erfahrenen Lokalgrößen, die schon einen Monat vorher zur Party „Unter den Tribünen“des Westfalenstadions bitten. Und wer seine Elektronik lieber im kleinen Festivalrahmen genießt, besucht halt die Kölner „c/o pop“, wo die Elektro-Songwriterin Dillon oder die NDW-Elektronikpioniere Palais Schaumburg intime Konzerte spielen.
Aber auch die Gitarren-Fans werden im Nahverkehrsradius fündig. Das Münsteraner „Vainstream“bucht die Speed-Metal-Ikonen vonSlayerneben die wiedervereinigten Funk-PunksRefusedund lässt so Nostalgie, Tradition und den ewigen Appeal der Halfpipe eine wertkonservative, aber dennoch verführerische Mischung eingehen. Apropos „wertkonservativ” – die schönsten Verschiebungen klassischer Bluesschemata findet man im Moment in der Musik Nordafrikas. Die Gimbri, ein nordafrikanisches Saiteninstrument, ist eines der beiden Instrumente der FormationYemen Blues, bei der Blues, afrokubanische Rhythmen und arabische Melodien so wunderbar durcheinanderpurzeln, dass sie beim Bochumer „Ruhr International“schon fast fehl am Platz sind. Diese Musik ist ,truly outernational’ und dennoch mit VRR-Ticket zu erreichen.
c/o pop:21.-24.6, Köln I Juicy Beats:28.7., Dortmund I Open Source: 30.6., Düsseldorf I Pfingst Open-Air: 28.5.Essen-Werden I Ruhr International: 26.5.–27.5, Bochum I Unter den Tribünen:30.6., Dortmund I Vainstream:9.6., Münster
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