Henriette Confurius wurde 1991 in Berlin geboren. Im Alter von zehn Jahren stand sie in „Die Meute der Erben“ das erste Mal vor der (Fernseh-) Kamera. Mit einem ihrer ersten Kinofilme, Julie Delpys „Die Gräfin“, trat sie neben William Hurt in einer internationalen Produktion auf. Es folgten Rollen in „Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf, „Das kalte Herz“ oder „Narziss und Goldmund“, dazu Auszeichnungen wie der Grimme-Preis 2010 oder der Bambi 2015. In „Die Herrlichkeit des Lebens“ ist Confurius nun als Franz Kafkas letzte Liebe Dora Diamant in der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Michael Kumpfmüller zu sehen. Der Film startet am 14. März in den Kinos.
trailer: Frau Confurius, über Franz Kafka weiß man sehr viel, über Dora Diamant ungleich weniger. Wie haben Sie sich auf diese authentische Rolle vorbereitet?
Henriette Confurius: Ich hatte vorher noch nie etwas gehört über Dora Diamant. Ich habe mich dann sehr gefreut, von ihr zu erfahren und sie so kennenzulernen. Wenn man jemand wie Franz Kafka verkörpern muss, dann hat man vermutlich wesentlich mehr Verantwortung, weil man viel mehr Vorstellungen gerecht werden muss. Ich hatte bei der Darstellung von Dora sicherlich mehr Freiraum, ohne sie jetzt kleinreden zu wollen. Es hat mir viel Spaß gemacht, über sie zu lesen. Für die Vorbereitung war für mich aber tatsächlich Michael Kumpfmüllers Roman am hilfreichsten und essentiellsten, der unserem Film ja auch als Vorlage diente. Zusammen mit unserem Regisseur Georg Maas habe ich die Rolle dann erarbeitet. Dora war Schauspielerin, und wir hatten ursprünglich die Idee, dass sie in ihrer Arbeit mit den Kindern kleine Stücke einstudiert. Wir haben uns dann aber umentschieden und haben Tanzen zu ihrer großen Leidenschaft gemacht. Das war für mich ein ganz großes Geschenk, dann dieses Medium zu haben, mit dem ich mich ausdrücken konnte. In dieser Körperlichkeit konnte ich sehr viel ausdrücken, das nicht ausgesprochen werden musste. Dadurch hat Dora für mich eine ganz große emotionale Tiefe bekommen.
Wer war Dora für Kafka, war sie die Liebe seines Lebens?
Ja, ich glaube schon. Sie war auch die Frau, die ihn bis zum Ende seines Lebens begleitet hat, auch, wenn es insgesamt nur eine sehr kurze Zeit war. Er wusste von Anfang an von seiner Krankheit und dass er nicht mehr lange zu leben hat. Es war Kafkas Art, sich mit den Dingen zu beschäftigen und diese nicht totzuschweigen. Deswegen sagt er ihr auch schon sehr früh, bevor sie sich auf ihn einlässt, wie es um ihn bestellt ist. Dadurch entsteht von Anfang an eine sehr offene Beziehung auf Augenhöhe, bei der beide von Anfang an wissen, auf was sie sich einlassen und was für ein Leben sie sich in dieser kurzen Zeit zusammen aufbauen. Dora hat auch etwas geschafft, was Kafka nie gelungen ist – sie hat sich von ihrer Familie gelöst. Sie hat ihr Elternhaus verlassen und ist alleine nach Deutschland gegangen, hat sich gegen die Heirat entschieden. Kafka hat vieles davon nicht geschafft und auch niedergeschrieben, wie sehr er unter seinem Vater gelitten hat. Trotzdem hat er es nie geschafft, sich von seiner Familie zu lösen. Auch deswegen hat er eine große Bewunderung für Dora empfunden.
Trotzdem ist Dora ihre jüdische Herkunft sehr wichtig. War das eine zusätzliche Herausforderung für Sie? Sie sprechen im Film teilweise auch Hebräisch.
Bei Religion stellt sich ja immer die Frage, wie viel ist Gefängnis und wie viel ist Freiheit oder Bereicherung. Dora wollte einige Dinge nicht mehr ausüben, hat aber an anderem festgehalten und sich nach wie vor als Jüdin gesehen. Sie hat sich lediglich gegen die Dinge entschieden, die sie zu sehr eingeengt hätten. An diese Aspekte bin ich mit großem Respekt rangegangen, beispielsweise dieses Sabbat-Ritual zu halten. Dafür habe ich mich im Vorfeld mit Experten getroffen, recherchiert und das lange geübt. Es war mir wichtig, dass wir das gut umsetzen.
Dora wirkt für die Zeit ungewöhnlich forsch und selbstbestimmt. War dieser moderne Ansatz einer der Aspekte, die Ihnen an der Rolle gefallen haben?
Ja. Was mich sehr begeistert und glücklich gemacht hat schon beim ersten Drehbuchlesen ist die Tatsache, dass Dora so fein auserzählt wird neben einer so großen Figur wie Kafka. „Die Herrlichkeit des Lebens“ ist ein Film über zwei Menschen, die sich auf Augenhöhe begegnen, da geht es nicht nur um den Schriftsteller Franz Kafka, sein Leiden und seine Wünsche. Die Frauenrolle darf genauso fühlen und handeln, was für mich als Schauspielerin ein großes Geschenk ist. Sie arbeitet ja auch in einem jüdischen Volksheim mit Kindern, und das Pragmatische liegt ihr einfach. Sie hat wahnsinnig viel Kraft und muss sich oft rechtfertigen für die Entscheidungen, die sie trifft. So hat sie auch gelernt, sich durchzusetzen.
Wie haben sich Georg Maas und Kamerafrau Judith Kaufmann die gemeinsame Regiearbeit am Set aufgeteilt?
Diese Frage stellte sich mir auch als Erstes, nachdem ich erfahren hatte, dass die beiden Co-Regie machen würden (lacht). Ich brauche als Schauspielerin ein ganz klares Vertrauen in die Regie und bin abhängig davon, im Zweifel einen direkten Ansprechpartner zu haben. Bei mehreren unterschiedlichen Anweisungen verliere ich schnell meine eigene Sicherheit, deswegen war es mir bei dieser Co-Regie auch sehr wichtig, im Vorfeld zu wissen, wie sich die beiden das aufteilen. Georg Maas und Judith Kaufmann hatten bereits vor zehn Jahren schon einmal gemeinsam Regie geführt (bei „Zwei Leben“; Anm. d. Red.) und kennen sich schon sehr lange und sehr gut. Georg Maas hat hauptsächlich im Vorfeld sehr viel mit uns gearbeitet, hat mit uns zusammen die Rollen kennengelernt und erprobt. Judith Kaufmann ist die visuellere der beiden und war beim Drehen immer ganz nah an uns dran mit ihrer Kamera, weswegen sie dann am Set die Regiearbeit größtenteils übernommen hat. Und das hat gut funktioniert.
Ist es nicht mittlerweile ein Luxus, vor dem eigentlichen Filmdreh noch eine gemeinsame Probezeit zu haben?
Das kommt ein bisschen darauf an. Für diesen Film durfte ich beispielsweise tanzen lernen. Denn es gab ursprünglich noch wesentlich mehr Tanzszenen, das ist im fertigen Film nun nicht mehr ganz so ausführlich geschildert. Deswegen sollte ich das Tanzen für den Film gut genug beherrschen, dass man es mir auch abkauft. Das war ein wahnsinnig großer Luxus, dass ich diesen Tanzunterricht bekommen habe und dabei so sehr unterstützt wurde. Probezeiten hängen zum großen Teil von zeitlicher Verfügbarkeit ab und von Freizeit, die man dafür investiert. Ich bin da etwas zwiegespalten. Es gibt ganz tolle Probezeiten, die sehr produktiv sind und viel bringen. Aber ganz egal, wie oft man eine Szene schon geprobt oder im Trockenen geübt hat, am Set zu stehen, das Kostüm anzuhaben und die Requisiten zu haben, die Stimmung und die Konzentration – da passiert noch einmal so viel mehr, dass man häufig wieder bei null steht. Dann braucht man am Set noch die Zeit, eine Szene zu finden oder sich zu erarbeiten, und das wird leider immer weniger. Auch bei „Die Herrlichkeit des Lebens“ hatten wir leider nur 27 Drehtage, und da war es essenziell, dass wir im Vorfeld viel geprobt haben. Einerseits ist das gut, aber andererseits ist es schade, dass wir am Set keine Zeit haben, uns diese Fragen zu stellen, weshalb wir das im Vorfeld machen müssen.
Was an dieser Rolle hat Sie für diese Zeit und das damalige Lebensgefühl interessiert?
Das war für mich auch wieder das Tanzen. Der Charleston, der der feministische Befreiungstanz dieser Zeit war, bei dem man sich plötzlich sehr frei bewegen durfte. Auch die Kleidung ist damals gemütlicher geworden, das waren Aspekte für mich, die ich spannend fand. Ansonsten ist der Film für mich fast ein bisschen zeitlos. Dora war auch politisch aktiv, und die damalige politische Situation wird ein bisschen angedeutet und am Rande erzählt. Der große Fokus lag auf der Liebesbeziehung, die zwar nicht komplett zeitlos ist, weil Kafka aus einem anderen Stand als Dora kommt, was auch thematisiert wird. Aber die Geschichte der Liebesbeziehung selbst könnte zu jeder Zeit spielen.
Wenn es nach Kafkas letztem Willen gegangen wäre, würde man ihn heute wohl gar nicht als den großen Literaten wahrnehmen, der er ist. Das liegt nur an Max Brod, der sich darüber hinweggesetzt und seine Werke dennoch veröffentlicht hat …
Ich finde das total interessant, zumal ich da auch ein bisschen zwiegespalten bin. Natürlich haben wir Max Brod zu verdanken, dass Kafkas Werke nicht verbrannt oder restlos vernichtet wurden, so wie sich das Franz in seinem letzten Willen gewünscht hat. Max Brod wird schon gewusst haben, was er getan hat – dass man diese Werke nicht vernichten kann! Dadurch hat er sich dem letzten Willen seines Freundes widersetzt. Andererseits kannte er ihn vielleicht auch gut genug, um zu wissen, dass das eigentlich nicht sein Wille ist, sondern eine gewisse selbstzerstörerische Ader, die Franz hatte und die ihm oft im Weg stand.
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