Haim Steinbach in einer Einzelausstellung in einem deutschen Museum: Das war zuletzt vor 18 Jahren der Fall. Steinbach, geboren 1944 in Rehovot/Tel Aviv, ist weltweit gefragt und richtet seine Ausstellungen selbst ein, hierzulande war er zuletzt lediglich durch Ausstellungsbeteiligungen präsent. In Deutschland hörte man erstmals 1988 von dem seit Mitte der 1960er Jahre in New York lebenden Künstler auf der Übersichtsausstellung zur (damals) jungen US-amerikanischen Kunst „BiNationale“: Da wurden seine Werke aus Alltagsobjekten auf von ihm hergestellten Regalen zusammen mit Beiträgen von Jeff Koons, Richard Prince und Mike Kelley gezeigt – es war die Zeit der Verknüpfung mit Industriedesign, der Appropriation und des Iterativismus hin zur Serienproduktion, und Haim Steinbach gehörte zu den eindrucksvollsten Künstlern. Der nächste nachhaltige Auftritt war die documenta 1992, als Steinbach einen Baum mit seinen Ästen als Display verwendete und im Ausstellungsraum verspannte. Damit lag das Konzept vor, mit dem er zum einflussreichen Künstler für jüngere Generationen wurde, gerade auch weil sein Werk mit leichter Hand einher kommt und doch ungemein präzise ist. Das gilt ebenso für seinen Umgang mit Schrift, welche er – als Zitate und bedeutungstragende Fragmente – typografisch bedacht auf der Ausstellungswand aufbringt, und für seine Fotoserien, bei denen der Umgang mit der Alltagsbanalität präsent ist und etwa populäre Filme und Filmfiguren zitiert werden. Gemeinsam ist allen Werkgruppen von Haim Steinbach, zu denen Installationen mit alltäglichen, benutzten Baumaterialien gehören, die Bedeutungsverschiebung durch minimale Eingriffe.
In Kleve ist nun von allem etwas zu sehen, seit den Anfängen. Nein, es sei keine Retrospektive, sagt Haim Steinbach selbst. Ja, ein Werküberblick mit besonderen Schwerpunkten, arrangiert noch im Hinblick auf das Museum Kurhaus mit seiner Sammlung und deren Präsentation in so vielen verschiedenen Räumen: Steinbachs Reflexion der Institution Museum fällt ausgesprochen vielschichtig aus, etwa indem er farbige Paneele in den Raum einfügt, Sockel zu skulpturalen Elementen werden lässt oder die Gemälde und Schnitzwerke der mittelalterlichen Sammlung mit Regalen mit Büchern und Porzellan abtrennt.
Es gibt viele eindrucksvolle, erstaunliche Situationen in dieser Ausstellung, das gilt etwa für die den Raum durchmessende Rampe mit dem Schornstein, der bis unter die Decke der Halle reicht, oder die Vögel, die im Treppenhaus quasi aus der Wand herauswachsen. Und es gibt den gruseligen Kitsch, mit dem sich Steinbach andererseits in die Populärkulturen und deren Rezeption einklinkt. Für ein Neujustieren der Aufmerksamkeit sorgen die Texte an den Wänden, zu denen man freilich Hintergrundinformationen benötigt. Beispielsweise: „No. Elephants“, zu dem Steinbach berichtet, in den Vereinigten Staaten würden die Menschen mit T-Shirts mit dieser Aufschrift herumlaufen: Der Elefant ist dort das Wappentier der Republikaner. Die zwei Worte stehen gewichtig, mit Nachdruck, dabei nach unten gerückt, an der Wand. Durch die Fenster gegenüber schaut man in den Park: Natürlich schwingt auch der Hinweis auf die Ausrottung der Elefanten mit. Die Ausstellung ist ein Erlebnis, weil sie verblüfft, irritiert und die Umgebung anders empfinden und damit anders schauen lässt: Die Rituale des Alltags sind nicht mehr, was sie waren.
Haim Steinbach – every single day | bis 27.1. | Museum Kurhaus Kleve | 02821 750 10
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