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Kein anderer Piene

02. August 2013

Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast zeigt Graphit-Zeichnungen des großen ZERO-Künstlers – Kunst in NRW 08/13

Es war eine verspätete, dafür herzliche Feierstunde in kleiner Runde mit dem sichtlich gerührten Künstler, der seine Ausstellung nun zum ersten Mal sehen konnte – zu viel war Otto Piene, der neben Düsseldorf vor allem in Groton in Massachusetts zu Hause ist, die letzten Monaten unterwegs: als Künstler von Weltrang, als Zeitzeuge und Pionier der Avantgarde. Natürlich ist die feine Ausstellung, die das Düsseldorfer Museum Kunstpalast nun Otto Piene ausrichtet, eine Würdigung zum 85. Lebensjahr und eine Anerkennung seines Lebenswerks. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass die dreizehn großformatigen Graphit-Zeichnungen in dem sogenannten ZERO-Raum präsentiert sind, dort wo ansonsten die Installation zur Documenta 4 von Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker gezeigt wird. Diese ist derzeit auf einer ZERO-Ausstellung in Paris zu sehen.

Otto Piene ist einer der Gründer und Pioniere und im Übrigen auch der Ideologe der Künstlergruppe ZERO, die sich 1957 als lose Vereinigung in Düsseldorf schloss und im Verbund mit weiteren Künstlern und Künstlergruppierungen schon bald internationale Erfolge feierte. Der Name war Programm. Nach der expressiven Kunst und der Aufarbeitung von Kriegs- und Nachkriegszeit wollte ZERO wieder bei null beginnen, mit einer Kunst, die völlig unbelastet Natur und Fortschritt in der Technik zusammen führt. Die Bilder, Reliefs und Objekte sind gegenstandsfrei, verzichten auf Buntfarbigkeit, strukturieren die Fläche durch Raster und Op Art-Effekte und handeln dazu mit Licht, das gleichermaßen für Helligkeit, Energie und Immaterialität steht. Vor allem Otto Piene hat dazu Lichtmühlen als Lichtballett entworfen, welches helle Punkte durch den verdunkelten Raum wandern lässt. Darauf folgte bei Piene die Sky Art mit den Sky Events, die sich nun, in Form von Ballonen, tatsächlich am Himmel ereignen und noch die Utopie neuer Lebensräume thematisieren …

Umso erstaunlicher ist nun die aktuelle Ausstellung im Museum Kunstpalast. Die figürlichen Graphit-Zeichnungen, die aus der Mitte der 1970er-Jahre datieren und Akte zumeist in Beziehungen zueinander zeigen, scheinen so gar nicht in das ungegenständliche oder visionäre Werk von Otto Piene zu passen. Die Figuren demonstrieren Erdenschwere. Aber es sind eben nicht „klassische“ Aktzeichnungen – zu verwischt, aus dem expressiven Gestus heraus sind die Körper entwickelt, zu malerisch verhalten sie sich im Bildraum. Ihr Stehen, Sitzen, Hocken ist ein Ausloten ihrer Realität, gesteigert wird dies noch, indem sich die Figuren mitunter im räumlichen Abstand, auf unterschiedlichen Ebenen befinden. Mitunter wirken sie wie im Gegenlicht eingefangen. Das große Thema dieser Blätter ist die Figur im Raum: als Körper, die sich mit ihrem Gewicht im Raum verhalten und ihn erst definieren. Es geht um Raumerfahrung und Raumerfühlung, nach außen ausgreifend, sich der Umgebung vergewissernd – und als Voraussetzung, diese zu überwinden. Die Zeichnung sind hervorragende eigenständige Aktdarstellungen und sozusagen die Realität von Pienes Utopien: Das Fundament, auf dem sich seine Visionen entwickeln konnten.

„Otto Piene – Graphitzeichnungen“ | bis 11. August im Museum Kunstpalast in Düsseldorf | www.smkp.de

Thomas Hirsch

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