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Evelyn Richter, Kleinbahn auf Rügen (Silbergelatineabzug, 1976)
© Evelyn Richter Archiv der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Museum der bildenden Künste Leipzig

Der Osten war schwarzweiß

05. Dezember 2022

Evelyn Richter im Museum Kunstpalast – Kunstwandel 12/22

Das erste Bild, dass ich von Evelyn Richter (1930-2021) in ihrer Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast entdecke, hat was mit Softeis zu tun. Kein Wunder, es ist ein kleiner Mythos, der mir im Gedächtnis geblieben ist, DDR-Softeis hatte (so die Recherche) wohl keine Sahne und nur wenig Luft, war wohl ein wenig fester als das westdeutsche. Ich kann das leider nicht mehr vergleichen, wäre aber bestimmt lecker gewesen. Die Aufnahme jedenfalls ist ein visueller und aufbautechnischer Kracher, obwohl die Fotografin das schwarzweiße Bild nicht in ihr Werk aufnahm und nur im Archiv schlummern ließ. Wohl Asbest auf dem Dach und die geometrische „Platte“ im Rücken, menschenleer ist´s, aber die Eisverkäuferin lächelt freundlich. So muss es gewesen sein, im grauen Osten, den die renommierte spätere Frau Professorin vier Jahrzehnte lang fast ohne Farbe dokumentierte, oft zum Leidwesen der Obrigkeit, die dem Farblosen immer auch eine positive politische Note abringen wollte.

Rund 300 Exponate sind in der retrospektiven Ausstellung zu sehen, neben den Fotografien auch eine Wand mit Schallplattencovern (Klassik) und Vitrinen mit Kontaktabzügen und Archivmaterial. Insbesondere die Lebens- und Arbeitswelten der DDR interessierten die Fotografin, die immer freiberuflich arbeitete und, nachdem sie während einer Moskau-Reise notgedrungen auf Kleinbild-Formate umsteigen musste, immer häufiger unterwegs und nahe am Objekt auf den Auslöser drückte. So sind dann sehr ungewöhnliche Portraits von Bürgern in öffentlichen Verkehrsmitteln entstanden, die genau so viel vom Alltag in der DDR erzählen, wie die auf den Punkt portraitierten Arbeiterinnen an ihren Maschinen. Das letzte Bild der Retro ist ein Schnappschuss in die Ausstellung „Junge Fotografen der 80er Jahre“ (Galerie Mitte, Dresden, 1985). Immer ist die Zeit eingefroren, doch die spezielle Atmosphäre findet einen Weg in die Gegenwart. Das hat die Fotografin auch geschafft. Spät wurde ihr auch im Westen Anerkennung gezollt, obwohl ihre Qualität längst bekannt war. 2020 erhielt Evelyn Richter als erste Preisträgerin den Bernd-und-Hilla-Becher-Preis (15.000 Euro) für ihr Lebenswerk. Zu Recht.

Evelyn Richter | bis 8.1.23 | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 56 64 21 00

Peter Ortmann

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