Horrorgeschichten und -bilder begleiten die Menschheit, ikonenhafte Darstellungen von Monstern, Vampiren oder Zombies haben Kunst und Kultur geprägt. Die Ausstellung„Tod und Teufel“ spürt dem Erbe und der Gegenwart des Horrors inMode, Musik, Film und zeitgenössischer Kunst nach. Ein Gespräch über Moral, Rebellion und alternative Identitäten.
trailer: Frau Page, eine Ausstellung zu künstlerischen Strategien des Grauens – zeigt „Tod und Teufel“ also grauenhafte Kunst?
Westrey Page: Nein, die Ausstellung „Tod und Teufel“ zeigt nicht nur grauenhafte Kunst, sie zeigt auchInterpretationen von Figuren des Grauens. Wir haben ein unglaublich vielfältiges Spektrum von Interpretationen des Horrors in der unmittelbaren Gegenwart. Das betrifft Figuren wie Monster, Zombies, Vampire, Hexen, usw. Diese Figuren werden also nicht nur für schaurige Zwecke umgesetzt, sondern auch, was wir heutzutage erleben, als Figuren eines ermächtigten Andersseins, also Figuren, die selbstbewusst eine alternative Identität behaupten, die in der Gesellschaft anders sind. Das ist ja der Kern der Identität eines Monsters, etwas von außen zu sein, das das Zentrum bedroht. Und wir sehen in ganz unterschiedlichen Gattungen, dass diese Figuren immer mehr auch soziale Zwecke erfüllen. Die Hexe wird in der Gegenwart als feministisches Symbol aufgegriffen. So ist es auch in der Interpretation, die Rei Kawakubo erläutert, Designerin von Comme des Garçons. Für die Kollektion „Blue Witches“ hat sie gesagt, dass Witches Frauen mit viel Macht waren und mit viel Wissen, die missverstanden und verfolgt wurden. Diese Figuren werden dann wieder benutzt mit der Tendenz, gegen herrschende Normen zu rebellieren. Das gilt auch für den Teufel als Anführer einer Gegenmacht.
„Diese Figuren erfüllen soziale Zwecke“
Woher kommt die Faszination für das Gruseln? Ist das immer noch die Angst vor wilden Tieren, die Angst vor Platons Höhle?
Ich glaube, dass wir eine uns innewohnende Faszination für das Unbekannte und das Unsichtbare haben. Eine andere Seite unserer Existenz sozusagen. Im Prolog unserer Ausstellung thematisieren wir, dass diese Darstellungen auch einen moralisierenden Effekt haben sollten: Wenn ich mich nicht benehme, dann lande ich irgendwo, wo es nicht angenehm ist. Aber gleichzeitig erkennt man, dass es auch damals unglaublich viel Lust gab, sich künstlerisch auszuprobieren mit diesen hybriden und kruden Wesen. In der heutigen Zeit könnte man auch behaupten, dass Grauen in der Kunst eine Art Bewältigungsmöglichkeit darstellt: Wie können wir uns mit dem Tod auseinandersetzen, wenn der Tod großenteils aus unserem Alltag verschwunden ist?
„Die Darstellungen sollten einen moralisierenden Effekt haben“
Hat Hollywood mit den Horror-Klassikern großen Einfluss auf das Genre gehabt, zumindest visuell?
Das kann man absolut sagen. Das erkennt man bereits an „Nosferatu“ von Murnau, von 1922, oder an „Dracula“ von Browning, von 1931. Diese Charaktere in den Filmen haben unser Verständnis, in diesem Fall von Vampiren, sehr geprägt. Ohne diese Filme hätten wir das Bild vom Vampir nicht. Aber das waren Interpretationen der Regisseure.
Und wie sieht es aus mit „Alien“ von Ridley Scott?
Der ist in unserer Ausstellung nicht dabei. Wir haben aber eine Hommage an Ridley Scott – da geht es um seinen Film „Legende“ von 1985, und wir haben eine Hommage an HR Giger, den Mann der „Alien“ gestaltet hat. Fantasie ist ein großer Teil des Genres. Man kann einfach experimentierfreudig sein und das erkennt man auch in der Geschichte des Horrors in der schwarzen Romantik, das Künstler:innen eben seit Jahrhunderten diese Freiheit genossen haben, sich andere Wesen auszudenken und so nicht nur ein bisschen die Abgründe der menschlichen Psyche zu erkunden, sondern auch ihre Fantasiewesen.
Was ist denn überhaupt alles zu sehen?
Das besondere an der Ausstellung ist, das sie sehr gattungsübergreifend ist. Wir haben Gemälde und grafische Arbeiten, wir haben aber auch angewandte Kunst, beispielsweise im Prolog einen Sarg und eine Totenmaske, also Objekte, die den historischen Umgang mit dem Tod aufzeigen und im zeitgenössischen Kapitel haben wir ganz viele unterschiedliche Medien in den Bildenden Künsten, Mode, Accessoires, Fotografien, raumgreifende Installationen, Filmplakate, Plattencover, Musikvideos, auch Logos von Metal Bands.
Wo kommt eigentlich der unverkaufte Nike Air Max von Mschf(Mischief) her?
Den haben wir im Modebereich und er kommt direkt von Mschf, das ist eine Leihgabe des Studios.
Jetzt vielleicht noch ein Wort zum höllischen Begleitprogramm?
Ja. Für die Ausstellung „Tod und Teufel“ haben wir auf jeden Fall ein höllisches Beiprogramm. Wir haben das Konzert von Lordi im Ehrenhof und das ist das erste Mal, dass ich es erlebe, dass ein Museum ein Metal-Konzert vor der Tür hat.
„Wie können wir uns mit dem Tod auseinandersetzen, wenn der großenteils aus unserem Alltag verschwunden ist?“
Letzte Frage. Was denken Sie, ist Rick Genest [kanadischer Performancekünstler (1985-2018), bekannt für Skelett-Tätowierungen, die seinen Körper bedeckten; d. Red. ] als Zombie Boy wiedergekehrt?
Ich würde sagen, ja. Ich weiß nicht, ob er je ganz weg war von der populären Vorstellung. Zombie Boy ist ganz wichtig in unserer Ausstellung. Er ist auch das Key Motive der Schau. Und er schaut uns in dieser Fotografie direkt an, ähnlich wie der Teufel im ersten Saal. Einerseits ist er bezeichnend dafür, wie Horrormotive zwischen Subkulturen und Populärkultur zirkulieren: Er war 2011 in Lady Gagas Musikvideo „Born This Way“ zu sehen und war im selben Jahr das Gesicht der Kampagne für eine Mugler-Kollektion. Rick Genest verkörpert aber eine andere Kernbotschaft dieser Ausstellung. Er hat einen Ted Talk gehalten, wo er gesagt hat, „normal is an illusion“. Bei ihm und bei ganz vielen Kulturschaffenden in dieser Ausstellung ist Horror und die Horrorästhetik ein Werkzeug, um alternative Identitäten zu feiern und gegen bestimmte Normen zu agieren, die in der Gesellschaft herrschen. Das ist, würde ich sagen, eine Hauptbotschaft der Ausstellung. Und Zombie Boy ist dafür ein sehr guter Vertreter.
Tod und Teufel | bis 21.1. | Museum Kunstpalast, Düsseldorf | 0211 566 421 60
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