trailer: Frau Korn, „Untold Stories“ ist die erste von Peter Lindbergh selbst kuratierte Werkschau. Was macht das für ein Museum besonders bzw. anders?
Felicity Korn: Es ist ja selten, dass Künstler ihre Ausstellungen selbst kuratieren. Das ist auch hier im Museum Kunstpalast eines der ersten Male. Bei Peter Lindbergh macht das insofern Sinn, weil er in den vergangenen Rückblicken sehr in der Mode-Ecke platziert wurde. Da gab es diese große Ausstellung, die in Rotterdam, München und Turin zu sehen war, und die seine Fotos nach Designern sortiert und auch den Katalog so aufgebaut hat. Wir glauben, und das ist eigentlich ja auch Lindberghs Credo, dass Modefotografie gar nicht so eingeschränkt sein muss. Er hat diesen Begriff sehr geöffnet. Ihm war wichtig, dass die Mode nicht so im Vordergrund steht, er hat zwar großen Respekt vor Modedesignerinnen und -designern und hat auch gerne mit denen zusammengearbeitet, aber es ging ihm nicht darum, das zu inszenieren, sondern das in einen künstlerischen Kontext zu stellen.
Das Bildmaterial hat er ausgewählt. Aber hat er auch die Szenografie der Ausstellung beeinflusst?
Ja, komplett. Wir haben da in engem Austausch gestanden, quasi als Ping-Pong-Partner. Er kriegt den großen Saal, das war ihm wichtig und damit spielt er auch. Er hat uns von seinen Ideen erzählt und im Prinzip haben wir immer gesagt: Ja, klingt gut, mach mal. Aber auch den ganzen Grundriss und die Hängung sowieso hat er ja noch vor seinem Tod zu Ende geplant. Und das wirklich bis ins letzte Detail seiner Ausstellung.
Mir ist eins dieser Pina-Bausch-Bilder aus Los Angeles von 1996 besonders in Erinnerung geblieben. Was war eigentlich sein Geheimnis bei diesen doch Modefotografien?
Ich glaube, dass er sich sehr für den Menschen vor seiner Kamera interessiert hat. Das ist bei dem Pina-Bausch-Foto nochmal speziell, denn mit ihr hat ihn eine enge Freundschaft verbunden. Aber er hat es ja insgesamt geschafft, sehr schnell sehr enge, sehr persönliche Beziehungen zu seinen Modellen aufzubauen. Er war ein sehr offener, sehr herzlicher, sehr respektvoller, interessierter Mensch. Und er hat jeder Person, die vor seiner Kamera war, ein ganz besonderes Gefühl vermittelt, so dass sie sich geöffnet haben, und das sieht man ja auch an den Fotos. Das sind ja ganz besondere Einblicke – klar, die tragen Mode, aber auch nicht immer. In den letzten Jahren hat er auch viele Schauspielerinnen fotografiert. Vehement gewettert hat er immer gegen Make-Up und viel Schickimicki. Das fand er ganz schlimm, weil ihn nur der Mensch interessiert hat.
Auch die Sujets waren besonders – wenn ich an die Serie mit den Marsmännchen denke. Sind die denn auch zu sehen?
Ja, die Serie mit Guinevere van Seenus und Fred Ward, davon ist ein Bild zu sehen. Er ist immer zweigleisig gefahren. Entweder hatte er riesige Sets oder nur eine unverputzte Wand, vor die er sein Modell stellte. Das ist ja das klassische Lindbergh-Setting. Ich glaube, er hat sehr stark aus dem Film heraus gedacht. Er hat selber sehr viel gefilmt und seine engsten Begleiter sind Filmemacher, mit denen er sich immer austauschte. Ihn hat dieses narrative Moment interessiert und wie er das an die Fotografie rückkoppeln kann. Da sind die Bilder mit den Marsmännchen natürlich ein gutes Beispiel. Er hat auch in Hollywood in den Paramount Studios gearbeitet und erzählt, dass man den größten Aufwand betreiben und mit drei Lastwagen Set-Equipment in irgendwelchen Kulissen herumfahren kann, und dann funktioniere es halt doch nicht. Nichts sei eigentlich so richtig planbar. Wenn es passt, dann passt es und wenn nicht, dann leider auch nicht.
Eigentlich hätte man ihm die Frage selber stellen müssen: Warum hat Haltung, die ja für Lindbergh so wichtig war, heute immer weniger Bedeutung?
Ihn hat tatsächlich der Moment von „Wahrheit und Authentizität“ interessiert, was ja auch Erwartungen sind, die man automatisch an die Fotografie stellt. Denn die wird ganz oft manipuliert. Ein Grund, warum er fast durchweg in schwarz-weiß gearbeitet hat. Er hat gesagt, das fühle sich authentischer oder realistischer an. Da sei er irgendwie näher dran gewesen am wahren Kern, den er fotografiert hat. Und ich glaube, das ist das, was ihn so angetrieben hat.
Es wäre schön gewesen, wenn er die Eröffnung noch erlebt hätte. Hat sein Tod die Eröffnung verändert?
Sie sprechen jetzt mit mir und leider nicht mit ihm. Wir werden ihn an dem Abend sehr vermissen. Er war wirklich Feuer und Flamme für das Projekt. Er hat sehr vielen Menschen schon vorher davon erzählt. Das ist schön, weil jetzt auch Menschen auf uns zukommen und sagen, wie sehr ihn diese Ausstellung über die eineinhalb Jahre beschäftigt hat. Und es hat auch die Reden verändert – zwangsläufig.
Peter Lindbergh: Untold Stories | 5.2. - 1.6. | Museum Kunstpalast Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
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