Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.585 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Jessica Muirhead singt in Essen die Lisa
Foto: Bettina Stöß

Land des verschwindenden Lächelns

29. Januar 2020

Sabine Hartmannshenn krempelt Lehár-Operette in Essen um – Oper in NRW 02/20

Die Operette ist nicht jedermanns Sache. Die einen lieben sie heiß und innig, die anderen verachten die leichte Muse geradezu. Das gilt nicht nur für das Publikum, sondern auch für viele OpernregisseurInnen. Sabine Hartmannshenn lässt sich wohl zumindest ein gespaltenes Verhältnis zur Operette unterstellen, wenn man betrachtet, was sie an der Essener Aalto-Oper aus Franz Lehárs „Land des Lächelns“ gemacht hat. Möglicherweise ist es auch nur eine Abneigung gegen den Komponisten, dessen größter Fan Adolf Hitler war und der seine jüdische Ehefrau durch größtmöglichen Opportunismus vor den Nazis rettete.

Statt der eigentlichen Handlung, einer unglücklichen Liebesgeschichte einer Wiener Grafentochter und eines chinesischen Prinzen im frühen 20. Jahrhundert, erzählt Hartmannshenn jedenfalls lieber die Geschichten, die es um das Stück herum zu erzählen gibt. Die sind durchaus interessant und erzählenswert. Sie zur Grundlage einer Inszenierung zu machen, führt jedoch zwangsläufig in ein Dilemma. Und so gibt es in dieser ordentlich umgekrempelten Version auch Szenen, in denen Text und Bühnengeschehen nicht mehr logisch im Einklang stehen.

Zu sehen ist ein Theater auf dem Theater. „Die gelbe Jacke“, das Bühnenstück von Victor Léon, das Lehár und seinen drei Librettisten als Vorlage diente, wird 1929, dem Uraufführungsjahr der Operette, in einem kleinen Berliner Varietétheater gezeigt – als China-Revue, in der die opulent-exotische Ausstattung der Pekinger Hofgesellschaft maximal verballhornt wird. Die unüberwindbaren Hindernisse zwischen den Kulturen, an denen die interkontinentale Liebe von Lisa und Sou-Chong schließlich scheitert, versucht die Regisseurin als zunehmenden Rassismus der aufziehenden Nazi-Herrschaft darzustellen. Was als abstraktes Konzept noch naheliegend erscheint, entpuppt sich in Verbindung mit der ursprünglichen Handlung als hochproblematisch, denn von dieser bleibt eigentlich nichts übrig.

Immerhin: Die Bühne von Lukas Kretschmer und die Kostüme von Susana Mendoza sind wirklich gelungen und einer Operettenaufführung absolut würdig. So bleibt den Freunden der gepflegten Operettenromanze noch die Musik. Dirigent Stefan Klingele leistet eine durchweg überzeugende Arbeit und kann sich dabei auf eine gute Solistenriege verlassen. Jessica Muirhead singt eine selbstbewusste und kraftvolle Lisa mit starker Ausstrahlung. Carlos Cardoso hat als Sou-Chong – die Regie macht aus ihm mitunter auch einen „Pedro“ – den rechten tenoralen Schmelz für einen jugendlichen Liebhaber. Christina Clark und Albrecht Kludszuweit singen als Prinzessin Mi (hier: Martha) und Graf Gustl (hier: Claudius) das zweite Liebespaar klangschön und darstellerisch überzeugend. Für den Buffowitz, den Lehár dem Gustl zugedacht hat, bleibt in dieser Fassung allerdings wenig Raum.

„Land des Lächelns“ | R: Sabine Hartmannshenn | 2.2., 9.2. 18 Uhr, 21.2. 19.30 Uhr, 23.2., 1.3. 16.30 Uhr, 12.4., 10.5. 18 Uhr | Aalto-Theater, Essen | 0201 812 22 00

Karsten Mark

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24

Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24

„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24

Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24

„Das ist fast schon eine Satire“
Alexander Becker inszeniert „Die Piraten von Penzance“ am Opernhaus Dortmund – Premiere 07/24

Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24

Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24

„Erstarrte Konzertrituale aufbrechen“
Interview mit dem Direktor des Dortmunder Festivals Klangvokal, Torsten Mosgraber – Interview 05/24

Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24

Der Ring und ein schwarzer Berg
Wagner-Kosmos in Dortmund zu „Mythos und Wahrheit“ – Oper 05/24

Noten sind nicht maskulin
Das Komponistinnenfestival Her:Voice in Essen – Festival 05/24

Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24

Oper.

Hier erscheint die Aufforderung!