America first! So könnten die Macher des Klavier-Festivals Ruhr ihr diesjähriges Programm nennen, wenn der Titel nicht schon vergeben wäre. Denn der runde Geburtstag des amerikanischen Komponisten Philip Glass hat die Musik aus der Neuen Welt zu Objekt der Begierde erklärt. Dies ist kein Novum in der Festivalgeschichte, und es ist ein stets lobenswertes Ziel: Die Composer aus den Staaten bleiben im europäischen Konzertleben eher unterrepräsentiert. Nicht umsonst wurde um die vorletzte Jahrhundertwende auf europäische Unterstützung gesetzt, um die eigene musikalische Identität und Musiksprache zu entwickeln. Und auch die Musiker des 20. Jahrhunderts profitierten von und orientierten sich an den vielen europäischen Exil-Künstlern. Natürlich bedenkt das Festival wie gewohnt auch die eigentlich amerikanische Urmusik: den Jazz.
Ein Nebenaspekt sollte betont werden: Wuppertal mit seiner eklektizistisch historisierenden wunderschönen Stadthalle erhält eine neue Bedeutung für das Ruhrfestival wie auch der neue Konzertsaal in Bochum im Anneliese Brost Musikforum Ruhr. Intendant Franz Xaver Ohnesorg vermutet dort sogar einen „neuen Sehnsuchtsort für Klaviermusikfreunde“.
Der Bochumer Saal wurde bereits mit einem Extrakonzert mit den Klassikstars Gidon Kremer und Martha Argerich geehrt, in Wuppertal gastierte Daniel Barenboim. Bochum aber erhält die Ehre des offiziellen Eröffnungskonzerts (5.5., 20 Uhr) des Festivals 2017: Die Naughton-Zwillinge Christina und Michelle aus Princeton gelten als ein weiteres Dreamteam unter den Piano-Duos. Und sie sehen sich nicht nur sehr ähnlich, sie musizieren auch sehr innig. Besonders Michelle lobt die praktischen Seiten: „Wir sind einander die besten Freundinnen und es ist wundervoll, nicht alleine reisen zu müssen.“ Die beiden in Philadelphia und New York ausgebildeten Pianistinnen spielen u.a. Werke aus der Heimat, von John Adams, William Bolcom und Paul Schoenfield. Andere Interpreten ergänzen in zahlreichen Konzerten die Namen Aaron Copland, Samuel Barber, Lenni Bernstein und George Gershwin. Dessen „Rhapsodie in Blue“ könnte ebenfalls als Mottomusik für das Festival herhalten.
Die brasilianische Pianistenlegende Nelson Freire (17.5., 20 Uhr) erinnert daran, dass auch südamerikanische Komponisten wichtige Beiträge zur klassischen Musik beigesteuert haben. Die „Bachianas brasileiras“ von Heitor Villa-Lobos sind solche ergreifenden Werke von Weltruhm wie die Tango-haltigen Kompositionen von Astor Piazzolla – Freire verehrt diese Musiken.
Viele Konzerte, besonders in der neuen Location in Bochum, sind schon ausverkauft. Dort können sich Musikfans auf Wartelisten setzen lassen, falls jemand abspringt. Das riecht nach Festivalstimmung, wie sie nur aus den ganz bedeutenden Festspielstätten bisher bekannt waren. Bravo.
Klavier-Festival Ruhr | 5.5.-20.7. | www.klavierfestival.de
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