Im Westen Deutschlands ist das kulturelle Angebot dichter geknüpft als in jeder anderen Region des Landes. Um neben den Schwergewichten aus Köln und Düsseldorf bestehen zu können, müssen sich die mittelgroßen Städte schon etwas einfallen lassen, wenn sie ihr Profil schärfen wollen. Zumal die Gelder für die Kultur immer schon mühsam erkämpft werden mussten. Wie man diese Quadratur des Kreises hinbekommt, hat die Stadt Neuss schon vor 32 Jahren erfolgreich demonstriert. Damals unterhielten etliche Städte noch eigene Tanz-Ensembles, die eine enge Bindung zwischen Künstlern und Publikum schufen, zugleich aber auch auf die jeweilige Ästhetik ihrer künstlerischen Führung festgelegt blieben. Neuss entschied sich hingegen für ein Gastspielprogramm.
32 Jahre ist es her, seit mit der Eröffnung der Stadthalle auch die Internationalen Tanzwochen ins Leben gerufen wurden. Rainer Wiertz stellte damals wie heute das Programm der Reihe zusammen. Ihm ging es darum, den Blick über den Tellerrand des aktuellen Geschehens zu bieten. Wie sehen die Standards der Tanzkunst im weltweiten Vergleich aus? Eine Frage, die man in Neuss beantwortet bekommt, auch in diesem Herbst und dem kommenden Frühjahr. Was für Köln eine Notlösung darstellte und von der Stadtspitze vor zwei Jahren gleich ganz abgeschafft werden sollte, wird von den Neussern mit Stolz als Panoramafenster auf die internationale Tanzlandschaft verstanden. Mit dem Nederlands Dans Theater II kommen am 28. September Nachbarn mit Weltgeltung zu Besuch. Die von Van Morrison inspirierte Choreographie „I new then“ ist dabei und „Shutters Shut“ nach den Gedichten von Gertrude Stein kann heute schon als Klassiker betrachtet werden.
Aus New York kommt am 23. Oktober das Cedar Lake Contemporary Ballet an den Niederrhein, unter anderem mit Johan Ingers Choreographie „Rain Dogs“ zur Musik von Tom Waits. Nach den rauen Klängen darf mit dem Malandain Ballet Biarritz am 11. November auf höchstem Niveau geträumt werden. „Nussknacker“ und „Schwanensee“ werden hier für die Gegenwart in einer ambitionierten Version miteinander verschmolzen. Nicht zum ersten Mal kommt Maria Pagés mit ihrer Compania nach Neuss. Sie lässt auf wohltuende Weise alle Klischees vergessen, die den Flamenco über die Jahre verkrustet haben. Am 23. Januar wird sie mit ihrem „Autorretrato“ (Selbstbildnis) eine Art Tanzoper bieten. Mit ihrem Pas de Deux unter dem Titel „Memory House“ hat das Northwest Dance Project in den USA für Aufsehen gesorgt. Im nächsten Februar wird die Kompanie aus Portland in Neuss erstmals auf einer deutschen Bühne agieren. Im März beendet dann die Kibbutz Contemporary Dance Company aus Israel die Tanzwochen mit ihrer metaphernreichen Choreographie „If at all“. Erstmals seit Jahren vergeben die Tanzwochen wieder Abonnements. Tatsächlich bietet der Besuch der Reihe eine Reise durch die ästhetische Vielfalt des Modern Dance an, die leicht süchtig machen kann.
Programminformationen unter www.tanzwochen.de
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