Henry Moore wusste genau, dass er zu den bedeutendsten Bildhauern seiner Zeit gehörte. Im letzten Raum seiner Ausstellung im Bahnhof Rolandseck sind mehrere Porträtfotos des britischen Star-Bildhauers (1898-1986) zu sehen: aufgenommen im Atelier und bei der Einweihung seiner Skulptur „Large Two Forms“ 1979 im Bundeskanzleramt in Bonn und auch im Festsaal in Rolandseck. Dort steht Moore ganz alleine zwischen großen Fenstern, stolz, seinen Stock weniger als Stütze als zur Betonung der aufrechten Haltung nutzend, also ganz Bildhauer. Bereits 1977 hatte er in Rolandseck ausgestellt, dort stand auch über lange Zeit eine seiner monumentalen Skulpturen auf der Freifläche vor dem Bahnhof, sozusagen mit Blick auf den Rhein und in Korrespondenz zu einer Skulptur von Hans Arp.
Diese Situation rekonstruiert nun die aktuelle Ausstellung im Bahnhof Rolandseck und führt sie noch weiter: Sie rückt Moores Großplastiken in den Fokus und zeigt diese sowohl im Innenraum als auch in der Natur, auf der Rückseite des Museums sogar inmitten der Landschaft, wie es Moore selbst schätzte. Und sie nimmt im Gebäude den Dialog zu Hans Arp, dem „Hausherrn“, auf. Tatsächlich schätzten sich die beiden Künstler. Beide waren bereits 1936 auf der Surrealisten-Ausstellung in London vertreten und hatten ihr Werk weiterentwickelt in Richtung auf eine biomorphe Abstraktion. Die Natur mit ihrem Wachstum diente als Vorbild. Henry Moore beschäftigte sich insbesondere mit dem Verhältnis von innen und außen. Seine riesigen Stelen, von denen eine im Skulpturenpark Waldfrieden in Wuppertal steht, lassen mitunter an Keimlinge denken. Daneben treten die horizontal ausgerichteten, sanft schwellenden mehrteiligen Formationen, die einen Bezug zur menschlichen Figur besitzen. Die Formen fließen ineinander und mit jedem Schritt ergeben sich neue Ansichten. Das eine Mal schließen sich die Partien organisch zusammen, dann wieder öffnet sich die Skulptur. Aber die Ausstellung beinhaltet auch frühe, deutlich figürliche Skulpturen. Im Innenraum fehlt den großen Plastiken freilich die Luft zum Atmen. Andererseits erlebt man sie nun im unmittelbaren Gegenüber.
Anlass für diese prächtige Ausstellung, die von der Henry Moore Foundation in Sussex unterstützt wurde, ist das 10-jährige Jubiläum des Arp Museum Bahnhof Rolandseck mit dem Anbau von Richard Meier. Die Schau positioniert noch das Werk von Hans Arp selbst und sie lenkt den Blick auf die herausragende Tradition britischer Bildhauerei im 20. Jahrhundert, die mit Moore einsetzte, flankiert von Barbara Hepworth, die im vergangenen Jahr ebenfalls in Rolandseck ausgestellt hat. Auf Henry Moore folgte Anthony Caro, und es ist ein schöner Zufall, dass dessen Werk derzeit in der Thomas Schütte Stiftung auf der Raketenstation Neuss gezeigt wird.
Henry Moore – Vision. Creation. Obsession | bis 7.1. | Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Remagen | www.arpmuseum.org
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