Die närrischen Tage haben den Alltag schon lange im Würgegriff, im Rheinland herrscht „Sitzungszeit“. All überall winken die lecker Mädchen von den Sitzungstischen, während sich die Junge gelegentlich – bei sogenannten Pinkelnummern im Showprogramm – in den Foyers an die Bierbuden schmiegen. Nicht nur die meist gesetzteren Herren im Elferrat sind jetzt in Ganzjahreshochstimmung, auch die Bordkapelle, das Sitzungsorchester, schunkelt in bunten Westen stimmungsvoll. Hier sitzen alle Jahre wieder auch Musiker in den Reihen, die haben ihre Instrumente ehrenvoll und engagiert studiert, viel geübt und viel geträumt – von der eigenen Musik, glanzvollen Solistenauftritten oder Karrieren in Stretch-Limos der Pop-Szene-Musiker. Meist haben die „Karnevalsmucken“, so der Terminus technicus dieser musikalischen Spezialeinsätze, bereits in Studententagen oder noch vorher angeklingelt, haben einen willkommenen Zuschuss für den Studentenetat geleistet und waren eigentlich angenehme Zusatzjobs – besser als Regale einräumen, Keller ausräumen, Speicher aufräumen etc… Und anspruchslos ist der Job in der Sitzungsband auch nicht: Das Begleiten oft artistischer Tanzkapellen, meist „prima vista“, also auf den „ersten Blick“ vom Blatt gespielt, hält manche Überraschung bereit. Oft wechseln die Tempi ad hoc, verlangsamen und beschleunigen – letzteres schon deshalb, weil die Tanztruppen mit wachsender Routine über die Session immer schneller tanzen wollen. Aber es gibt auch grottige Arrangements aus alter Zeit, die sind so schlecht wie der allgemeine Ruf der Karnevalsmusik überhaupt.
Früher waren ja auch in den bekanntesten Kölner Kapellen nur in seltenen Fällen Musikprofis anzutreffen. Den Hobby-Musikus befriedigte ein übersichtlicher Vorrat an Harmonien und nette Reime mit viel kölschem Hätz über den Dom und den Rhein mit Gesang auf Lagerfeuerniveau eher als den künstlerisch orientierten Instrumentalisten. Das hat sich mit der Entwicklung des Karnevals als Wirtschaftsfaktor grundlegend verändert: Bei den renommierten Bands sind die wortführenden Rampensäue als starke Sympathieträger mit dickem Draht zum Publikum zwar noch immer wirkungsvoller als ausgebildete Moderatoren – mit letzteren funktioniert das Stimmungsgeschäft nicht. Aber ersetzt werden aktuell ausscheidende Spätrentner der sogenannten musikalischen „Kräfte“ des Sitzungskarnevals durch Profimusiker, die sich nicht nur Profis nennen, weil sie von Karnevalsmusik leben können. Der Kampf um Musikerjobs, die einigermaßen angemessen bezahlt werden, drängt auch viele jazzambitionierte Künstler in die Reihen der Kräfte.
Schön ist, dass sich das klassische Muster von Laienbands, gegründet im Freundeskreis und voll motiviert, mit frischer Ausstrahlung und zackigen Mitgröhlnummern, genauso gut hält wie neue professionelle Bands, gebildet aus jungen Jazzmusikern, die eine etwas anspruchsvollere Musik in die Karnevalsszene einblasen. So dreht sich das Rad in der fünften Jahreszeit immer weiter. Nur eines bleibt wohl ewig bestehen: Tata Tata Tata.
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