Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.585 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Eleonore Marguerre (Arabella), Alexander Sprague (Graf Elemer)
Foto: Thomas Jauk/Stage Picture

Standesgemäße Prostitution

26. Oktober 2017

Jens-Daniel Herzog inszeniert Straussens „Arabella“ in Dortmund – Oper in NRW 11/17

Und es liebt sie doch: das Publikum diese Oper, die bei jeder Gelegenheit als „eigentlich zweitklassig“, als „Abklatsch des Rosenkavaliers“ oder „operettenhaft“ abgetan wird. Richard Strauss und sein Librettist Hugo von Hofmannsthal hätten wohl besser weniger offen und selbstkritisch korrespondieren sollen. Denn die Munition lieferten sie ihren Kritikern selbst. Dem Publikum ist das überwiegend einerlei gewesen. Es liebt die „Arabella“. Warum das völlig berechtigt ist, zeigt eine Inszenierung des Dortmunder Intendanten Jens-Daniel Herzog, der damit die neue Saison an seinem Haus einläutet.

Die Geschichte ist ziemlich handfest; und so geht es dann auch zu in dieser Fassung. Die vielen Herren, die die Schöne umschwirren, grapschen gern mal zu bei der höheren Tochter, die der verarmte und spielsüchtige Papa an den – möglichst reichen – Mann bringen muss. Die Grenze zur  Prostitution ist nah. Und wenn Eleonore Marguerre (alternierend mit Emily Newton) das erste Mal als wirklich scharfer Feger mit perfekter Wallemähne, in eng tailliertem Ledermantel und mit Stiefeln bis über die Knie auftritt, deutet das Kostüm von Sibylle Gädeke das auch erkennbar, aber noch einigermaßen subtil an. Mit dem Libretto geht das durchaus konform: Die Eltern müssen die Tochter „standesgemäß ausstaffieren“, um sie verheiraten zu können. Das ist teuer und das Geld reicht nur für eine; die andere Tochter, Zdenka, muss deshalb als vermeintlicher Junge eine Scheinexistenz führen.

Dieser Teil der Geschichte ist reichlich abwegig und wird auch von Herzog nicht gelöst. Stattdessen setzt er auf die überquellende Spielfreude seiner durchweg hinreißenden Besetzung und lässt sie komödiantisch auch dick auftragen. Tenor Thomas Paul etwa als verschmähter Liebhaber Matteo, der alle Naselang sein Schicksal beklagt und mit Selbstmord droht. Als Sänger gibt Paul mit überzeichnetem italienischem Schmelz den Drama-King, was durchaus funktioniert. Denn Paul ist seiner schwierigen Partie absolut gewachsen. Auch die anderen Verehrer, die drei Grafen, sind alberne Gestalten: schnöselige Lackaffen, Teil einer ebenso verwöhnten wie nichtsnutzigen Erbengeneration. Das Rennen machen wird aber Mandryka, den Sangmin Lee in einem wirklich starken Auftritt als eine Mischung aus wildem Hunnen und Provinzluden aus der Rockerszene gibt.

Neben dem großen Spaß bietet die Dortmunder Arabella auch ein veritables Fest der Stimmen. Eleonore Marguerre und Ashley Thouret als Zdenka singen anmutig schöne Duette, in ihren jugendlich-lyrisch gefärbten Timbres schon ähnlich und doch im rechten Maß gewichtet und ausbalanciert. Marguerre beweist dabei durchaus dramatische Standfestigkeit, ohne je forciert zu klingen. Morgan Moody ist ein vielleicht schon etwas zu adrett und schneidig wirkender – und auch so klingender – Vater Waldner.

Gabriel Feltz dirigiert das mittelgroß besetzte Orchester sehr sängerfreundlich und mit durchsichtigem, differenzierten Klang – übrigens oft mit Leichtigkeit, aber keineswegs operettenhaft.

„Arabella“ | R: Jens-Daniel Herzog | Sa 28.10., Fr 17.11. 19.30 Uhr, So 26.11. 18 Uhr | Opernhaus Dortmund | www.theaterdo.de

Karsten Mark

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24

Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24

„Was dieser Mozart gemacht hat, will ich auch machen“
Komponist Manfred Trojahn wird 75 Jahre alt – Interview 10/24

Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24

„Das ist fast schon eine Satire“
Alexander Becker inszeniert „Die Piraten von Penzance“ am Opernhaus Dortmund – Premiere 07/24

Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24

Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24

„Erstarrte Konzertrituale aufbrechen“
Interview mit dem Direktor des Dortmunder Festivals Klangvokal, Torsten Mosgraber – Interview 05/24

Der Ring und ein schwarzer Berg
Wagner-Kosmos in Dortmund zu „Mythos und Wahrheit“ – Oper 05/24

Noten sind nicht maskulin
Das Komponistinnenfestival Her:Voice in Essen – Festival 05/24

Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24

Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24

Oper.

Hier erscheint die Aufforderung!