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Der Everest, ewige Herausforderung
Foto: Frauke Erny

Überlebenskampf am Berg

26. April 2018

Joby Talbots Oper „Everest“ – Opernzeit 05/18

Die Tour auf den höchsten Berg der Welt gilt als lebensgefährlich. Im letzten Jahrhundert kamen mehr als 200 Bergsteiger um, das Jahr 1996 erreichte mit 15 Todesopern einen traurigen Höhepunkt in der Statistik: Allein bei einer Expedition fanden acht Menschen den Tod. Auf diese historische Begebenheit greift Joby Talbot zurück und rückt existentielle Fragen zu Liebe, Tod und dem Sinn des Lebens in den Mittelpunkt.

Gene Scheer, der Librettist der Oper, befragte Überlebende der verschiedenen Expeditionen von 1996 und fokussierte die dramatische Handlung auf wenige Personen und die Entscheidung des Tourleiters und werdenden Vaters Rob Hall, sein eigenes Leben zu riskieren, um einen verletzten Bergsteiger zu retten. Beck Weathers verliert kurz vor dem Gipfel sein Augenlicht durch Schneeblendung. Der Bergführer lässt ihn zurück, verspricht aber, ihn auf dem Rückweg abzuholen und gemeinsam mit dem anderen Tourmitglied ins Basislager zu bringen – eine absolute Ausnahme, denn es gilt bei solchen Expeditionen die Vereinbarung, dass stark Verletzte am Berg zurückbleiben, um das Leben der anderen nicht zu gefährden. Beck Weathers fällt durch die Sauerstoffarmut in ein Koma, seine junge Tochter erscheint ihm im Traum. Die schmerzhaften Erfrierungen an Händen und Gesicht lassen ihn erwachen, so dass er dem Erfrierungstod entgeht und von einer anderen Expedition gerettet wird.

Talbots Anliegen, der auch für Film und Fernsehen komponiert, war es, in dieser 2015 in Dallas uraufgeführten Oper eine Klangwelt zu schaffen, welche die überwältigende, aber auch lebensbedrohliche Atmosphäre in der Gipfelregion des Everest unmittelbar erfahrbar macht: Das Knirschen des Gesteins unter dem Druck, das Heulen des eiskalten Windes. Dafür hat er originelle Soundeffekte erfunden, so illustrieren etwa Schlaginstrumente das Krachen von Eis- und Felsbrocken, das Reiben eines aufgepumpten Gummiballs auf dem Fell der großen Trommel ahmt das Stöhnen und Ächzen der Gesteinsmassen nach. In dem unsichtbaren (Geister-)Chor erklingen die Stimmen der am Berg Verstorbenen. Talbot bringt sowohl die Ekstase der Bergsteiger angesichts der Großartigkeit und Himmelsnähe des Everest zum Ausdruck, als auch die Ängste angesichts der Konfrontation mit dem Tod. Das Grundtempo ist ruhig fließend, das weit ausholende Melos der Gesangslinien beschwört die unfassbare Schönheit des Ausblicks vom Dach der Welt. Den Sauerstoffmangel, unter dem die Bergsteiger leiden, hat er in die Gesangslinien integriert: Das vermehrte Atemholen und mit dem ganzen Körper um Luft ringen, das Japsen zwischen den Worten und Phrasen, ist genau komponiert. Bergsteigen und Bühnendarstellung kommen sich hier sehr nahe: Beides verlangt höchste Präsenz von den Ausführenden, einen hundertprozentig körperlichen und emotionalen Einsatz, mit dem eine spirituelle Erfahrung einhergeht, die einen über sich hinauswachsen lässt.

Beck Weathers überlebte und ist Zeuge des Geschehens. Er verlor durch die Erfrierungen beide Hände und einen Teil seines Gesichtes. Dennoch bereut er die Expedition nicht, der persönliche Gewinn, den er daraus zog, ist größer als der Verlust: Am Berg wurde er ein anderer und rettete seine kriselnde Ehe.

Wo zu sehen in NRW?

Theater Hagen | 5.(P), 18.5., 1.; 8., 21., 27.6., je 19.30 Uhr, 1.7. 15 Uhr | 02331 207 32 18

Kerstin Maria Pöhler

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