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Julia Schnetzer
Foto (Ausschnitt): Jan-Ole Röbbeling

„Wir müssen mit Fakten arbeiten“

29. August 2024

Teil 1: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung

trailer: Julia Schnetzer, die Folgen des Klimawandels sind bekannt. Handeln wir angemessen?

Julia Schnetzer: Es gibt Ansätze, aber wir sind in keinster Weise schnell genug in unseren Handlungen, um da noch etwas aufzuhalten. Ich glaube, in der Wissenschaftscommunity ist es konsens, dass das 1,5-Grad-Erderwärmungsziel nicht einzuhalten ist. 

Was hält uns ab, entschlossener zu agieren?

Unter anderem die politischen Prozesse. Dazu kommen Widerstände aus der Wirtschaft oder der Bevölkerung. Mitunter wird der Klimawandel nicht als solcher gesehen, auch, weil man die Auswirkungen nicht vor der Haustür sieht. Man fürchtet auch eine Gefahr für den Wohlstand, weil vermeintlich Arbeitsplätze wegfallen, obwohl neue Jobs geschaffen werden. Die Politiker:innen haben Angst, nicht wiedergewählt zu werden.

„Politiker:innen haben Angst, nicht wiedergewählt zu werden“

Die Katastrophe scheint weit entfernt?

Solange das eigene Haus nicht brennt, ist es schwierig, das Thema zu vermitteln. Dabei ist die Katastrophe nicht so weit weg. Denken Sie an die Überschwemmungen der letzten Jahre. 

Mit 18 Jahren lebten Sie eine Zeit lang in einer Gastfamilie auf den Fidschi-Inseln. Was haben Sie dort gelernt?

Das war eine wichtige Erfahrung, weil ich abgeschieden ohne Strom und fließendes Wasser gelebt habe. Ich habe das Meer gesehen, wie man es aus Dokumentationen kennt. Das hat mich dazu bewogen, Meeresbiologin zu werden. 

Initiativen wie Exctinction Rebellion oder Letzte Generation haben einen Zulauf junger Aktivist:innen und setzen auf eine emotionale Ansprache. Wie bewerten Sie dieses Vorgehen?

Ich bin auch Wissenschaftskommunikatorin und finde emotionale Ansprachen wichtig, um Menschen überhaupt zu erreichen. Das trocken Wissenschaftliche ist nicht immer angebracht. Man darf es aber nicht übertreiben. Wenn falsche Angaben gemacht werden, um eine größere Resonanz zu bekommen, dann ist das sehr problematisch, beispielsweise, dass im Jahr 2048 keine Fische mehr im Meer sind. Das stimmt nicht. Das sind drastische Aussagen, die aus alten Studien kommen. Damit wird die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft in Frage gestellt. Wir müssen mit Fakten arbeiten.   

„Ich finde emotionale Ansprachen wichtig“

In der Antike galt das Meer als Hoheitsgebiet von Göttern, es spielt eine Hauptrolle in Homers „Odyssee“. Als Science-Slammerin vermitteln Sie Wissenschaft durch Lyrik. Wie stehen Wissenschaft und ihre unterhaltsame Vermittlung zueinander?

Die Naturphänomene waren immer etwas Beängstigendes. Sie inspirierten die Menschen, Gottheiten wie Thor zu erschaffen, der den Himmel zum Donner bringt und Blitze auf die Erde schleudert. Wenn man aber in die Bibel schaut, liest man, dass der Mensch sich die Natur untertan machen soll. Die Wissenschaft ist dagegen immer etwas entzaubernd. Wir versuchen zu erklären, was wir sehen. Bei den Science-Slams geht es letztendlich darum, die Wissenschaft den Menschen näher zu bringen.

Wie läuft das ab?

Teilnehmer:innen sind junge Wissenschaftler:innen. Sie haben zehn Minuten Zeit, ihre jeweiliges Forschungsprojekt auf der Bühne zu präsentieren, egal ob mit Powerpoint oder singend. Das Publikum besteht in der Regel aus Laien und stimmt über die Sieger:innen ab. Das macht Spaß. 

„Die Angst der Akademiker:innen, nicht akademisch zu wirken“

Gibt es auch Positives über die Ozeane zu berichten?

Es gibt auch Positives zu berichten, zum Beispiel, dass sich die Buckelwalpopulation in den letzten Jahrzehnten erholt hat. Vor kurzem wurde ein toter Wal an die Küste Neuseelands gespült, der so selten ist, das er noch nie lebend beobachtet wurde. Das ist natürlich einerseits traurig anderseits wissen wir so, dass es diese Tiere noch gibt. Das geht leider schnell in den negativen Schlagzeilen unter.

Begriffe wie „Nachhaltigkeit“ oder „CO2-Emission“ klingen kaum greifbar. Ist Naturschutz auch ein sprachliches Problem?

Ein sehr deutsches Problem ist die Angst der Akademiker:innen, nicht akademisch zu wirken. Es sind immer komplizierte Sätze, vielleicht, um wichtiger zu klingen. In den USA ist es anders, da schreibt man meiner Meinung nach verständlicher.

In Stanislaw Lems Roman „Solaris“ wird der Ozean eines Planeten als Wesen mit eigenem Bewusstsein beschrieben, das sich gegen eine Vereinnahmung wehrt. In Anlehnung daran eine fiktionale Frage: Werden Meere, Wälder und Polargebiete auf die Wertschätzung des Menschen warten oder ihren Erhalt letztendlich selbst regulieren?

Ich kenne den Roman nicht, aber wir werden die Natur nicht zerstören. Wir verändern sie vielleicht für eine bestimmte Zeit, doch das wird sich alles ohne uns weiter verändern. Die Evolution ist immer im Fluss. Der Punkt ist, dass wir gerade soviel verändern, dass es für die Art Mensch zum Problem wird, aber die Natur wird weiter existieren. Wir werden nicht das Leben stoppen. 

Interview: Thomas Dahl

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