Für den Tanz ist der Mai ein typischer Gastspiel-Monat. Die heimische Tanzszene wartet wie immer auf die Fördermittel für 2012. Das Tanzinteresse wird derweil von auswärtigen Ensembles bedient. Produzieren kann die heimische Szene erst nach einer verbindlichen Zusage des Landes oder der Kommune, da man sich ohne Förderung für seine Arbeit verschulden, sprich: einen Kredit aufnehmen müsste. Wenn dann die Mittel doch ausbleiben, hat man für seinen Arbeitsplatz „bezahlt“ – ohne Aussicht auf künstlerisches Überleben.
Übersetzt ins allgemeine Arbeitsleben heißt das: Ein Arbeitnehmer müsste seinen Arbeitsplatz selbst finanzieren, um dann mit dem Einkommen daraus die Finanzierung samt Kosten abzutragen. Verrückte freie Kulturwelt.
Gut sind dagegen die institutionalisierten Kultureinrichtungen dran. Das sind Oper und Schauspiel, einige Freie Theater und auch das Tanzhaus NRW in Düsseldorf. Wer institutionalisiert ist, hat keine Finanzierungssorgen, denn institutionalisiert sein heißt: Die Fördermittel sind rechtsverbindlich im Etat eingestellt. So kann man sich voll auf seine künstlerische Arbeit konzentrieren und – hoffentlich – Großes schaffen. Das ist, unter anderem, auch Sinn und Zweck öffentlicher Kulturförderung.
In der Freien Tanzszene NRW gibt es diese Sorgenfreiheit nicht. Obgleich noch während der ersten Phase der Spitzenförderung Tanz (2009-2011) angekündigt wurde, dass mindestens ein Ensemble institutionalisiert werden soll, steht diese Entscheidung aus. Das Land NRW hält sich bedeckt – und das liegt nicht am fehlenden Haushaltsplan. Und doch ist in diesem Jahr alles anders. Der Haushalt 2012 ist gescheitert, der Landtag aufgelöst. Gewählt wird am 13. Mai. Vor Herbst 2012 wird es folglich keinen Landeshaushalt und keine städtischen Haushalte geben.
Für die „Institutionalisierten“ aber geht die Förderung bis zu 80% weiter. Projekte und Inszenierungen der Freien Tanzszene aber bleiben auf der Strecke, denn hier wird nur in Ausnahmefällen vorfinanziert. Diese Durststrecke werden nicht alle überstehen. Der Zuschauer, dem diese komplizierten Zusammenhänge unbekannt sind, wundert sich allenfalls, dass eine von ihm geschätzter Choreografin nicht mehr künstlerisch in Erscheinung tritt.
Das ist die Chance der Gastspiele, der Kooperationen und übergreifenden Koproduktionen fester Einrichtungen. PACT Zollverein in Essen wartet im Mai gleich mit zwei koproduzierten Uraufführungen auf. Das Tanzhaus NRW ist mit einer Uraufführung und zwei deutschen Erstaufführungen dabei.
Ein Highlight im Tanzhaus ist das Gastspiel der Cie. Toula Limnaios aus Berlin, deren künstlerisches Überleben erst der Erfolg sicherte, die inzwischen 31 abendfüllende Stücke produziert haben und nun zum ersten Mal (!) ins Tanzhaus NRW eingeladen wurden. Am 4. und 5. Mai zeigen sie ihr Tanzstück „every single day“ – frei inspiriert durch den Mythos des Sisyphos – und damit fast eine Metapher für den Freien Tanz in NRW. Unbedingt anschauen.
www.tanzhaus-nrw.de I www.pact-zollverein.de I www.halle-tanz-berlin.de
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