Es war ein schöner anarchistischer Traum, den die digitale Boheme in den Anfangsjahren des Internets träumte: Meinungsfreiheit für alle, ohne Zensur, ohne Konzern- oder Staatskontrolle. Doch beim Betrachten des hier und jetzt bleibt nichts anderes als zu konstatieren: Die Enthusiasten der ersten Stunde haben sich bitter getäuscht. Wie im Kapitalismus üblich, musste auch in der Internetökonomie die anfängliche Vielzahl kleiner Anbieter innerhalb weniger Jahre Oligopolen, wenn nicht gar Monopolen, weichen.
Krasse Netzwerkeffekte
Vom kleinteiligen Aufbruch blieben weltumspannende Konzerne wie Facebook, Apple, Alphabet (Google) oder Amazon (aber auch in Europa weniger bekannte Player wie das „chinesische Amazon“ namens Alibaba) übrig. Ihre Monopolstellung verdanken sie dem sogenannten Netzwerkeffekt, der bei Internetanwendungen ungleich stärker ausfällt als in anderen Bereichen der Wertschöpfung: Die Leute benutzen WhatsApp, weil fast alle WhatsApp benutzen. Dieser Netzwerkeffekt hat zur Folge, dass sich die Marktmacht bei Internetkonzernen ungemein krasser konzentriert als beispielsweise bei den Medienimperien früherer Zeiten. Gesellschaftlich und kommerziell spielt sich fast alles auf den Plattformen der Großen ab. Damit fungieren sie als eine Art Türsteher und kontrollieren den Zugang zu Märkten, mit umfassender Kontrolle über Preise und die Verteilung von Gütern und Diensten.
Diese Machtkonzentration ist bzw. war auch den Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus ein Dorn im Auge. Anfang Oktober 2020 legte der Unterausschuss für Kartellrecht im Justizausschuss nach 16-monatigen Ermittlungen einen 449 Seiten starken Bericht mit kartellrechtlichen Bedenken gegen die vier großen Internetkonzerne Amazon, Apple, Facebook und Google vor. Der Bericht enthält Empfehlungen, die von Vorschlägen für Gesetzesänderungen im Kartellrecht bis hin zur Zerschlagung der Konzerne reichen.
Politische Scheingefechte
Wurden die Ermittlungen anfänglich von Demokraten und Republikanern getragen, scherten letztere bei der Bewertung der Ergebnisse und Empfehlungen aus; für die Konzerne eine gute Nachricht. Während die Demokraten über die Zerschlagung bspw. von Facebook nachdenken, so wie in den 80er Jahren mit der Telefongesellschaft AT&T geschehen, lehnen die meisten Republikaner diese „nukleare Option“ als übertrieben ab. Sie wollen lieber angebliche Verstöße der Internetkonzerne gegen die Redefreiheit ahnden. Doch schon die Computerzeitschrift „Wired“ bemerkte vor zwei Jahren, dass die Grand Old Party hierbei notorisch „free speech“ (Meinungsfreiheit) mit „free reach“ (unbegrenzte Reichweite) verwechselt. Heißt: Man darf zwar frei sagen, was man denkt. Man hat aber nicht unbedingt das Recht, dafür den Lautsprecher eines anderen zu benutzen.
Verschiebungen im monopolkapitalistischen Machtgefüge scheint es hingegen immer nur dann zu geben, wenn neue Technologien ins Spiel kommen, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Was „das nächste große Ding“ sein könnte, weiß bis heute niemand. Google schraubt an der Datenbrille „Glass“, Facebook an der Virtual-Reality-Brille „Oculus Rift“ und Elon Musk bastelt mit „Neuralink“ an einer direkten Schnittstelle zum Gehirn. Dank des Netzwerkeffekts könnten die großen Internetkonzerne auch in 20, 30 vielleicht 50 Jahren noch große Konzerne sein, die ihre Märkte dominieren. Zugleich besteht für sie aber auch immer die Gefahr, dann an Dominanz zu verlieren, wenn neue Start-ups angesichts neuer Technologien selbst zu Konzernen werden. An den Konzentrationsprozessen schlechthin ändert sich dadurch aber nichts.
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