Selbstfürsorge, Achtsamkeit und Akzeptanz: Diese Dinge lernt das gute Ei in der gleichnamigen Geschichte von Jory John und Pete Oswald. Im englischen Original („The Good Egg“) landete die Erzählung des US-amerikanischen Autors auf Platz 1 der New York Times Bestsellerlisten. Seitdem veröffentlichte das Duo weitere Ableger der Buchreihe, unter anderem „The Cool Bean“, „The Smart Cookie“ und „The Couch Potato“. Mit viel Witz und Detailreichtum behandeln John und Oswald die Themen ihrer Geschichten auf humorvolle Art und machen sie so jeder Altersgruppe zugänglich. Im Frühjahr 2021 erschienen, zeigt „Das gute Ei“, dass Selbstwert nicht an Leistung geknüpft ist. Ständige Bemühungen, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, führen früher oder später zu einem Erschöpfungszustand, der sichtlich Spuren hinterlässt. So auch bei der Hauptfigur des Bilderbuches.
Das gute Ei tut allerlei Gutes: Es rettet Katzen von Bäumen, hilft beim Reifenwechsel und unterstützt seine Mitbürger, wo es nur kann. Mit den anderen elf Eiern lebt es im Pappkarton eines Bauernmarktes. Die übrigen Eier sind alles andere als „gut“ – sie machen Sachen kaputt, haben Wutanfälle und verbreiten eine Menge Chaos. Da fühlt sich das gute Ei schon mal in der Verantwortung, ihr Benehmen auszubügeln, doch irgendwann ist es genug. Spätestens als sich Risse in der Schale des Eis bilden, erkennt es: Eine Auszeit ist nötig. Und die nimmt es sich auch.
„Das gute Ei“ zeigt, dass es in Ordnung und sogar notwendig ist, sich dem Chaos des Alltags zeitweise zu entziehen, um sich selbst zu schützen. Besonders im Kontext der Leistungsgesellschaft ist das unabdinglich. Die Erzählung vermittelt auf narrative Art, wie wichtig es ist, sich Ruhe zu gönnen, um in sich zu kehren und auch mal den Dingen nachzugehen, für die man sich im Alltag oft nicht genügend Zeit nimmt, weil man andere Dinge priorisiert.
Auch wenn das Buch schon für Kinder ab drei Jahren empfohlen wird, ist es für Erwachsene thematisch mindestens genauso relevant. Es erinnert daran, dass wir gut genug sind, wie wir sind. Selbstzweifel und Perfektionsansprüche sind Themen, die viele Menschen beschäftigen. Die Geschichte ermutigt ihre Leser, sich selbst liebevoll zu behandeln und dabei die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen, loszulassen und Spaß zu haben, ohne alles zu zerdenken. Die Kernbotschaft des Buches: Niemand ist perfekt, und das ist auch gut so.
Jory John: Das gute Ei | Illustrationen: Pete Oswald | Aus dem Englischen von Gerda Maria Pum | Adrian Verlag | ab 3 Jahren | 32 S. | 12,95 €
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gespräch über die Liebe
„In einem Zug“ von Daniel Glattauer – Textwelten 01/25
Mit KI aus der Zwangslage
„Täuschend echt“ von Charles Lewinsky – Literatur 01/25
Vorlesestunde mit Onkel Max
Max Goldt in den Kammerspielen Bochum – Literatur 01/25
Unfall oder Mord?
Jens Prüss-Lesung in der Düsseldorfer Zentralbibliothek
Schriftstellerin im Exil
Maria Stepanova liest bei Proust in Essen
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Eine wahre Liebesgeschichte
Thomas Strässles „Fluchtnovelle“ – Textwelten 12/24
ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24
Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24
Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24
Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24
Literatur in Höchstform
25. LesArt.Festival in Dortmund – Festival 11/24
Massenhaft Meisterschaft
Neue Comics von alten Hasen – ComicKultur 01/25
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24
Zwischen Utopie und Ökoterrorismus
Tagung „Klimafiktionen“ in Bochum – Literatur 12/24
Das Über-Du
Auftakt von Literaturdistrikt mit Dietmar Dath und Wolfgang M. Schmitt – 11/24
Comics über Comics
Originelle neue Graphic Novels – ComicKultur 11/24