Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Bitte einfach einsteigen
Foto: 4kclips / Adobe Stock

Das Null-Euro-Ticket

25. April 2023

Wie kostenloser Nahverkehr funktioniert – Europa-Vorbild Luxemburg

Die Phase vom 1. Juni bis zum 31. August war für Deutschland ein verkehrspolitisches Experiment. Drei Monate lang konnten Bürger:innen zu einem Monatspreis von 9 Euro den öffentlichen Nahverkehr nutzen – bundesweit. Überfüllte Bahnen, Punks auf Sylt, verzweifelte Fahrradfahrer:innen, deren Räder nicht mehr in die Züge passten, aber auch die Erkenntnis, dass Bahnfahren doch auch eine Option der Fortbewegung ist, zählten zu den Folgen. Vermehrt stellen sich Menschen zudem die Frage: Warum ist der ÖPNV nicht gänzlich kostenlos? Wäre ein Nahverkehr, der ohne eigens zu lösende Tickets auskommt nicht ein willkommenes Instrument, um die Energiewende zu befördern, energiepolitisch unabhängiger zu werden und Mobilität für alle erschwinglich zu machen?

Mobilitätslabor

Luxemburg ist diesen Schritt bereits gegangen: Das Großherzogtum versteht sich als „Mobilitätslabor“, wie es der Verkehrsminister François Bausch bezeichnet. Das Ausgangsproblem waren die Autos, von denen es im Verhältnis zu den Einwohner:innen mehr gab als in anderen europäischen Ländern. Jahrelang war das Verkehrsnetz nicht ausgebaut worden, trotz der wachsenden Bevölkerung. Jetzt steht der politische Kurs unter dem Motto der Verkehrswende: Der Nahverkehr wird – wie als eine Entschuldigung für die vergangenen Versäumnisse – durch Steuern finanziert. Eine große Besonderheit ist, dass das Ticket bedingt durch den hohen Anteil an ausländischen Arbeiter:innen in Luxemburg auch von internationalen Pendler:innen und Tourist:innen genutzt werden kann. Hervorzuheben ist zudem, dass die Neuerung mit einem Ausbau der Infrastruktur einhergeht und nicht nur als Versöhnungsangebot für Dauerbaustellen fungiert.

Vorbild Null-Euro-Ticket

Das Potenzial des kostenlosen Nahverkehrs wurde auch international erkannt. Malta bietet seit Oktober 2022 Einwohner:innen einen Großteil der öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos an, ähnlich Spanien seit September Fahrten mit dem Zugnetz Renfe. Und Deutschland? Zwar ist das ab Mai gültige Deutschlandticket mit einem Einführungspreis von 49 Euro ein Fortschritt, doch zum Nulltarif kann man bislang nur in einzelnen Kommunen pendeln, etwa in Monheim am Rhein und im benachbarten Langenfeld. Hinzu kommen Städte, in denen der Nahverkehr an einzelnen Tagen gratis ist, etwa in Tübingen und Ulm. Doch ein bundesweites Null-Euro-Ticket ist dereit nicht absehbar –zumal sich schon anlässlich des 9-Euro-Tickets der Personalmangel und der versäumte Ausbau des Schienennetzes bemerkbar gemacht hatten.

Es bleibt abzuwarten, wie sich das Experiment des Mobilitätslabors in Deutschland auswirkt. Die Stimmen für einen kostenlosen Nahverkehr dürften sich auch hierzulande weiter Gehör verschaffen. Schließlich haben mit dem 9-Euro-Ticket Millionen Menschen erfahren, wie es sich anfühlt, wenn Mobilität (fast) keine Frage mehr des persönlichen Geldbeutels ist.


VERKEHRSWEGE - Aktiv im Thema

bahn-fuer-alle.de | Das Bündnis aus 20 Organisationen wendet sich „für eine wirkliche Verkehrswende“ gegen die Privatisierung der Deutsche Bahn AG.
freiheitsfonds.de | Die Initiative Freiheitsfonds sammelt Spenden, um Menschen zu befreien, die im Gefängnis sitzen, weil sie ohne Ticket den ÖPNV genutzt haben.
dw.com/de/nahverkehr-in-europa-null-euro-tickets-auf-dem-vormarsch/a-62021450 | DW-Überblick über europäische Städte, in denen der öffentliche Nahverkehr bereits kostenlos ist.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de

Tim Weber

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Einbahnstraße, bitte wenden!
Intro – Verkehrswege

Vorwärts nimmer, rückwärts immer
Verkehrswende in die Vergangenheit mit der FDP – Teil 1: Leitartikel

„Es ist absurd, zu meinen, das Auto wäre alternativlos“
Architekt Philipp Oswalt über die Verkehrswende im ländlichen Raum – Teil 1: Interview

ÖPNV für alle Menschen
Die Bochumer Initiative Stadt für Alle – Teil 1: Lokale Initiativen

Mercedes oder per pedes?
Lob des Zufußgehens – Teil 2: Leitartikel

„Warum sollten Fußgänger auf Autos Rücksicht nehmen?“
Stadtplaner Helge Hillnhütter über gute Fußwege – Teil 2: Interview

Für die Rechte der Fußgänger
Kölns Initiative Fuss e.V. – Teil 2: Lokale Initiativen

Bike Bike Baby
Freie Fahrt fürs Fahrrad – Teil 3: Leitartikel

„Alle wollen jetzt Radverkehrskonzepte“
Verkehrsexperte Peter Gwiasda über Radfahren in und außerhalb der Stadt – Teil 3: Interview

Angstfreie Radwege
Aus der Arbeit von Fahrradstadt Wuppertal e.V. – Teil 3: Lokale Initiativen

Zu Fuß zur Gerechtigkeit
Von Bahnen, die nicht fahren – Glosse

Europa

Hier erscheint die Aufforderung!