Frauke Finsterwalder, Jahrgang '75, studierte Literaturwissenschat und Geschichte, war danach Regieassistentin an der Volksbühne und Redakteurin beim Magazin der SZ. Ab 2003 studierte sie Dokumentarregie in München und drehte mehrere Dokumentarfilme. „Finsterworld“ ist ihr erster Spielfilm.
Frau Finsterwalder, sie haben bislang Dokumentationen gedreht. Was hat sie bewegt, zum Spielfilm zu wechseln?
Frauke Finsterwalder: Ich habe im Dokumentarfilm den Realismus oft als einschränkend empfunden. Ich wollte immer, dass viel mehr oder was anderes passiert, als dass, was dann letztendlich vor der Kamera passierte. Beim Spielfilm kann man eine eigene Welt kreieren, eigene Figuren. Und dann hat man all diese fantastischen Menschen um sich. Beim Dokumentarfilm ist man mit seiner Vision sehr viel einsamer.
Zwar passiert im Film nichts, was nicht wirklich so oder ähnlich passieren könnte,
dennoch liegt über dem Szenario immer eine unwirkliche, unheilschwangere Stimmung. Können Sie etwas zur Wahl der Inszenierung sagen?
„Finsterworld“ beginnt ja als Komödie und dann tun sich so langsam die Abgründe auf. Ich wollte immer, dass die Schauspieler auch die lustigen Szenen mit absoluter Ehrlichkeit spielen. Mit einem gewissen Ernst. Erstens, weil ich das so viel komischer finde und zweitens, weil das sonst mit dem Rest des Films, der ja irgendwann fast zum Horrorfilm wird, gar nicht zusammen gegangen wäre. Und weil ich selber großer Comicfan bin, sollte der Film möglichst bunt, die Figuren überzeichnet sein. Das hatte dann auch große Auswirkungen auf die Arbeit des Kameramanns Markus Förderer, der die Finsterworld in fast permanentes Sonnenlicht getaucht hat.
Dass das Böse gewinnt: Ist das ihre Fantasie einer besonders finsteren Welt, oder ihre Sicht der Wirklichkeit?
Beides. Es ist auf jeden Fall interessant, weil es gegen die herkömmlichen Sehgewohnheiten im Kino ist, wenn nicht so ganz klar ist, wer die wirklich Guten sind. Das weckt mich auf, anstatt mich emotional einzuschläfern.
Sie haben das Drehbuch zusammen mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Christian Kracht, geschrieben. Wie hat die Zusammenarbeit funktioniert?
Das war ein großer Spaß, zumal es ja niemanden gibt, dem man mehr vertraut, als dem eigenen Partner. Ich musste mich da nicht ständig beweisen. Er kennt mich ja, weiß wie ich denke. Wir haben einfach ganz intuitiv im größten Vertrauen zueinander geschrieben. Das war sehr befreiend.
Die Besetzungsliste ist nicht nur für ein Spielfilmdebüt beeindruckend. Wie haben sie die Darsteller überzeugen können?
Da ist auf der einen Seite die herausragende Casterin Simone Bäre, die das Projekt sehr mochte und sich bei den Schauspielern eingesetzt hat. Und da ist das Drehbuch und diese wirklich besonderen Figuren, die man gerne zum Leben erweckt. Und dann sind da natürlich auch diese tollen und intelligenten Schauspielerinnen und Schauspieler, die mal was ganz anderes spielen wollten, als sie sonst angeboten bekommen.
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