Es bedarf schon einer besonderen Persönlichkeit, um im Angesicht einer der größten Menschheitskatastrophen an einem Stück zu arbeiten, das völlig entrückt von allem Weltlichen in die Sphären eines Märchens entführt. Richard Strauss war eine solche Persönlichkeit: Während draußen der Erste Weltkrieg tobte, komponierte er in Ruhe seine „Frau ohne Schatten“. Einen Teil des Publikums ficht dies bis heute kaum an. Strauss’ Oper ist zweifellos ein Werk von hoher Bedeutung und Qualität.
Aber lässt sich in einem Jahr, in dem sich neben Straussens rundem Geburtstag (150 Jahre) auch der Ausbruch des Ersten Weltkriegs (zum 100. Mal) jährt, tatsächlich noch eine reine Märchenoper auf die Bühne bringen? Der Regisseur und Intendant des Gelsenkirchener Musiktheaters Michael Schulz entschied sich dagegen – und tat gut daran. Seine Inszenierung der „Frau ohne Schatten“ verlegt die Handlung in die hässlich reale Welt ihrer Entstehungszeit. Dabei musste er Hugo von Hofmannsthals Libretto keineswegs Gewalt antun. Schulz’ Inszenierung ist weitgehend logisch und sie funktioniert gut. Denn der Kern der Geschichte um Fruchtbarkeit und Ehe wird nicht verbogen. Und dass diese Entmystifizierung zwangsläufig eine Diskrepanz zur Partitur aufreißt, ist in diesem Falle sogar verschmerzbar.
In jedem Fall ist die Produktion ein ziemlicher Kraftakt für ein Opernhaus von der Größe des Gelsenkircheners. Deshalb hat Schulz im Verbund mit dem Staatstheater Kassel inszeniert. Personell ist der Aufwand beträchtlich, und bei der Besetzung der großen Partien stieß Gelsenkirchen an seine Grenzen.
Einzig Gudrun Pelker, die die Amme gibt, gehört zum Ensemble. Alle anderen sind Gäste: Herausragend sind Sabine Hogrefe als Färberin und Urban Malmberg als Färber Barak, die gemeinsam eine Art Kleiderkammer für Armeeröcke betreiben, welche sich zusehends in ein improvisiertes Lazarett verwandelt (Bühne und Kostüme: Dirk Becker und Renée Listerdal). Beide Solisten haben keine ganz großen Stimmen, behaupten sich aber gut gegen das Orchester und entwickeln auch dramatische Expressivität. Yamina Maamar entwickelt als Kaiserin ein ebenso großes Ausdruckspotential. Ihre Qualitäten liegen dabei im Lyrischen, in den dramatischen Höhen klingt sie manches Mal etwas grell. Martin Homrich als (deutscher) Kaiser – dem als Falke übrigens ein rot gewandetes Fliegeras zur Seite steht – passt stimmlich gut zu seiner Partnerin. Er ist nicht der ganz große Heldentenor, beherrscht seine schwere Partie aber absolut souverän. Darstellerisch ist dieser Kaiser ein wenig undankbar: Zum einen ist er ein Schwein, dass nebenbei ein paar eigenhändige Exekutionen vornimmt, zum anderen bleibt die Charakterisierung aber eher blass.
Dirigent Rasmus Baumann macht es den Solisten indes nicht unbedingt leicht. Die Klanggewalt der großen Orchesterbesetzung reizt er – bei aller Differenzierung – voll aus. Das ist wirkungsvoll und beeindruckend.
„Frau ohne Schatten“ | R: Michael Schulz | Sa 13.12. 18 Uhr | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 72 00
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