Wer einmal eine Reise tut, der hat viel zu erzählen. Das gilt besonders für Musiker. Sie reisen nämlich in der Regel mit ihren Instrumenten. Und die von den Gaststaaten geforderten Informationen und Auflagen werden in Zeiten reiselustiger Glaubenskrieger und geschärftem Umweltbewusstsein nicht einfacher. Besonders die USA verlangen volle Aufmerksamkeit, wie ein Fachmann des Leipziger Gewandhauses anmerkt: „Der übliche schriftliche Fragebogen für die Einreise ist mittlerweile derart umfangreich, dass man gut 80 Minuten braucht, um ihn auszufüllen – pro Musiker!" Zusätzlich ist der Besuch zum Interview in der US-Botschaft obligatorisch, meist ein lästiges, aber kurzes Scharmützel.
Spannender wird es aber bei der Einfuhr der Instrumente, besonders der wertvollen und meist schon recht alten Liebhaberstücke. Da kann Marco Eckertz, Orchestermanager des in diesen Tagen tourenden Gewandhausorchesters von Albträumen erzählen, die ihn vor Reisen plagen. Es geht um die „Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora", kurz CITES benannt, auch bekannt als „Washingtoner Artenschutzabkommen". Die Informationen, dass historische Geigenbögen Teile aus Elefanten-Elfenbein enthalten, Schildpatt aus Hornschuppen von Meeresschildkröten stammt, Rio-Palisander eine Tropenholzart ist, deren legaler Einschlag nachgewiesen sein muss und deren Verwendung im Holzflötenbereich und bei Gitarren üblich sind, lassen heitere Szenen an den Zöllen nicht nur ahnen. Aus politischen Gründen verlangen die USA seit einem guten halben Jahr für jedes Instrument einen aktuellen CITES-Instrumentenpass. Selbst wenn alles stimmt, sind Imponderabilien wahrscheinlich: Ein Cellobogen der BR-Symphoniker hatte Pottwalzahn verarbeitet, der war zusätzlich verboten.
Das alles verschärft nur die bereits bestehenden Zollschikanen, die in Legenden Niederschlag finden, so über Krystian Zimermans völlig zerstörten Reiseflügel, dessen Leim angeblich merkwürdig roch, oder in der Story von Peter Ruzickas Dirigierstab, den ein Sicherheitsbeamter hier in Deutschland zu Sägemehl verarbeitete, oder von der Konzertmeisterin, die ihre 6-Millionen-€-Stradivari, ein Leihinstrument einer Stiftung, mit 19 % Einfuhrumsatzsteuer belastet sah.
Vielleicht bleiben deshalb das Gewandhausorchester und ihr charismatischer Kapellmeister Riccardo Chailly in diesem Jahr zunächst in Europa und kommen nach Stationen in Madrid, Mailand, Turin, Luxemborg, Brüssel und München endlich auch nach Dortmund und Köln. Sie spielen das Violinkonzert des einstigen Gewandhauskapellmeisters Felix Mendelssohn mit dem jungen Geiger Julian Rachlin, in Dortmund auch das Violinkonzert von Tschaikowsky, und das Orchester klingt absolut original seidig in Werken von Mahler und Rachmaninow wie in der Heimatstadt Leipzig: Sie haben nämlich alle ihre Instrumente dabei.
Do 19.2. 20 Uhr | Kölner Philharmonie
Sa 21.2. 20 Uhr | Konzerthaus Dortmund
So 22.2. 16 Uhr | Konzerthaus Dortmund
Info: www.gewandhaus.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Orchester der Stardirigenten
London Symphony Orchestra in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 04/24
Blickwechsel in der Musikgeschichte
Drei Spezialisten der Alten Musik in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/24
Abenteuerliche Installation
„Die Soldaten“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 01/24
„Herrliche Resonantz“
Avi Avital in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/23
Funk und Soul mit fetten Sounds
„Tribute To Curtis Mayfield“ in der Kölner Philharmonie – Improvisierte Musik in NRW 09/23
Tod und Auferstehung
„Auferstehungssinfonie“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 09/23
Aus grellem Sonnenlicht
Sarah Aristidou in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 03/23
Nationale Abenteuer
Barenboim und Lang Lang in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 07/22
Konzert als Abenteuer
Aurora Orchestra in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 06/22
Aufatmen in Köln
Der Kölner GMD bleibt länger im Dienst – Klassik am Rhein 11/18
Der Mann, der aus der Kälte kam
Teodor Currentzis, Held aus Perm, gastiert mit Verdi-Opern – Klassik am Rhein 10/18
Zweierlei Schicksal
In Köln begegnet Beethoven Frankenstein und Wolfgang Schäuble – Klassik am Rhein 09/18
Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24
Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24
Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24
Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24
Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24
Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24
Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24
Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24
Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24
Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24
Bruckners „verfluchte“ Neunte
„Von Herzen – Letzte Werke“ in Bochum – Klassik an der Ruhr 06/24
Mit Hochdruck bei der Arbeit
Die Orgelfeierstunden im Kölner Dom – Klassik am Rhein 06/24
Träume aus alten Zeiten
Zamus: Early Music Festival 2024 in Köln – Klassik am Rhein 05/24