Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.585 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Traumrenditen mit Einhörnern?
Foto: Uncanny Valley / Adobe Stock

Finanzkrise nonstop

27. Juni 2023

Wieder retten öffentliche Gelder Banken aus der selbstverschuldeten Krise – Teil 2: Leitartikel

Im Jahr 2008 erreichte die globale Finanzkrise mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers, der damals viertgrößten Investmentbank der Welt, ihren Höhepunkt. Statt der eigenen Ideologie zu folgen, wonach Krisen im Kapitalismus systembereinigend wirken, griffen die Regierungen ein und mobilisierten beispiellose Milliardensummen um Finanzkonzerne vor dem Untergang zu retten. Die Begründung: „too big to fail“ – würden Banken dieser Größe untergehen, würden sie ganze Volkswirtschaften mit sich in den Strudel reißen, ein Kollaps des weltweiten Finanzsystems wäre die Folge. Öffentliche Haushalte übernahmen gewaltige Verluste, die ausgerechnet jene Banker und Manager zu verantworten hatten, die zuvor mit unfassbaren Bonuszahlungen stinkreich geworden waren. Die Lasten der Krise wurden den Lohnabhängigen aufgebürdet.

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren, ist eigentlich Kern einer marktradikalen Ideologie. Diese stieß angesichts der zu stemmenden öffentlichen Rettungssummen dann aber doch an eine zu offensichtliche Rechtfertigungsgrenze. Die Folge: Selbst Liberale und Konservative forderten eine stärkere Regulierung der Finanzindustrie. Nie wieder sollten Steuerzahler Banken retten. Jedoch, erwartungsgemäß handelte es sich um Lippenbekenntnisse. In diesem Frühjahr strauchelte die Bankenwelt erneut in eine schwere Krise, und wieder mussten Steuerzahler für das Missmanagement der Banker und den Leichtsinn reicher Anleger einstehen. Mit der Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) — immerhin die Nummer 16 in den USA — begann alles; in der Folge strauchelten weitere Banken, unter anderem die 167 Jahre alte Credit Suisse in der Schweiz. Überraschen kann die Pleite der SVB, einem bedeutenden Finanzier der Digitalwirtschaft, indes nicht. Schon eine Weile kämpft die mit rückläufigen Profiten und Massenentlassungen bei Konzernen wie Meta, Twitter, Amazon oder Microsoft. Zudem stagnieren die Nutzerzahlen, sind Werbeeinnahmen rückläufig. Es herrscht Unsicherheit über den Fortgang der Digitalisierung. Doch nicht nur bei den großen Digitalkonzernen gerät die Kapitalverwertung ins Stocken. Das Segment der Tech-Startups ist extrem überhitzt: Mit gigantischen Fremdkapitalhebeln werden kleine Firmen zu „Einhörnern“ hochgejazzt, um mit Milliarden vielversprechende Märkte zu sichern. Hype folgt auf Hype, Traumrenditen locken. Diese Dynamik produziert Erfolgsstorys, aber eben auch gigantische Flops und Rekordverluste.

Trostpflaster für die Bürger 

Eigentlich versichert die US-Regierung „nur“ Einlagen bis 250.000 US-Dollar. Damit wären 85 Prozent der SVB-Einlagen nicht versichert gewesen. Ausgerechnet die individualistischen Supermänner aus dem Silicon Valley und von der Wall Street riefen dann aber die Regierung zu Hilfe. Geht doch nicht an, dass all die Investoren und CEOs der Tech-Konzerne ihre „sauer verdienten“ Millionen und Milliarden verlieren. Dabei war den Supermännern vorab bewusst, dass ihre Einlagen nicht versichert sind — dennoch sprang die Regierung ihnen bei.

Was sagt uns das? Die Ungerechtigkeit auf der Welt ist von Reichtum, nicht Armut, geprägt. Sobald (Super-)Reiche — auch selbstverschuldet! — in Schwierigkeiten geraten, öffnen sich die staatlichen Geldschleusen. Der arbeitenden Bevölkerung predigt man gleichzeitig persönliche Verantwortung. Als Trostpflaster gibt’s in der Krise dann und wann läppische Einmalzahlungen, die die Inflation nicht annähernd ausgleichen.


GELD ODER LEBEN - Aktiv im Thema

buergerwerke.de | In der Bürgerwerke eG sind über 100 lokale „Energiegemeinschaften“ in Deutschland vertreten, die Strom und Gas aus ökologischer Erzeugung anbieten.
dwenteignen.de | Die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen fordert vom Berliner Senat „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind“ und informiert über die Folgen ihres Vorhabens.
hamburg-enteignet.de | Die „Initiative zur Enteignung der großen, profitorientierten Wohnungsunternehmen in Hamburg“ informiert über die Entwicklung ihres Anliegen.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@trailer-ruhr.de

Bernhard Krebs

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Gesetz und Zufall
Intro – Geld oder leben

Kein Recht auf Wohnen
Wie ein Grundbedürfnis unbezahlbar wird – Teil 1: Leitartikel

„Die kapitalistische Marktlogik verlernen“
Kartoffelkombinat-Mitgründer Simon Scholl über Solidarische Landwirtschaft – Teil 1: Interview

Gedämpfte Mieten, keine Aktionäre
Der Gemeinnützige Wohnungsverein zu Bochum (GWV) – Teil 1: Lokale Initiativen

„Muss ein Land für das Kapital attraktiv sein?“
Wirtschafts-Podcaster Ole Nymoen über Krisen und Regulierung des Finanzsystems – Teil 2: Interview

Geld macht Politik
Das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut der Universität zu Köln (FiFo) – Teil 2: Lokale Initiativen

Spätrömische Dekadenz
Falsche Versprechen zu Lohn und Leistung – Teil 3: Leitartikel

„Manche können sich abstrampeln, soviel sie wollen“
Soziologin Dorothee Spannagel über Ursachen und Bekämpfung von Armut – Teil 3: Interview

Menschen bleiben arm
Forschung über Armut und Armutshilfe an der Uni Wuppertal – Teil 3: Lokale Initiativen

Weder Miete noch Eigentum
Genossenschaftliches Wohnen – Europa-Vorbild: Schweden

Held der Arbeit
Wer sehr hart arbeitet, wird reich! – Glosse

Leitartikel

Hier erscheint die Aufforderung!