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Katharina Klewinghaus
Foto: Henrik Jordan

Formen der Gewalt

01. Oktober 2008

Katharina Klewinghaus über "Science of Horror" - Gespräch zum Film 10/08

Katharina Klewinghaus, Jahrgang ‘76, studierte in England Film. Seit 2005 lebt sie wieder in Berlin. „Science of Horror“ ist ihr erster langer Kinofilm.

trailer: Eine anspruchsvolle Auseinandersetzung mit Horrorfilm, die die Themen Feminismus, Gender, Subversion einschließt - man hat fast den Anschein, als seien diese Diskurse hierzulande verschüttet...
Katharina Klewinghaus: Verschüttet sind diese Diskurse nicht, denn sie finden statt, auch hier in Deutschland. Das Problem ist eher, dass man diese Diskurse meist nur im akademischen oder subkulturellen Raum findet. Ich wollte mit „Science of Horror“ diesen schon lange existenten Diskurs auf die Leinwand bringen. Denn filmisch sind die feministischen Ansätze zum Horror auch über die deutschen Grenzen hinaus unentdeckt bzw. vermieden worden. Man kann von einer generellen Furcht oder auch Ablehnung des Themas Feminismus sprechen, denn man sieht darin immer noch ein minoritäres und somit unrentables Feld.

Es gibt ja eigentlich keinen deutschen Horror- und Splatterfilm, obwohl in Deutschland von Wilhelm Friedrich Murnau oder Robert Wiene die Blueprints für den Horrorfilm gelegt wurden. Später gibt es nur Einzelfälle und die eigenwilligen Ausformungen durch Jörg Buttgereit, Christoph Schlingensief und Wenzel Storch. Woran könnte das liegen?
In der Tat zwingt sich die Frage auf, warum es nach der Grundsteinlegung durch den Expressionismus nie zu einer deutschen Horrortradition gekommen ist. Kann man die Gründe dafür in unserer Geschichte finden, die Traumatisierung, Schuldkomplex und Verdrängung zur Folge hatte und eine Auseinandersetzung mit Themen der Gewalt unmöglich machte? Horror ist auch ein Versuch, Formen der Gewalt zu erfassen. Bis heute fällt es schwer, eine Sprache für den Holocaust zu finden. Das gilt vor allem in Deutschland. Die einzige filmische Darstellung, die meiner Ansicht nach eine annähernd mögliche Form für dieses Ausmaß an Grausamkeit gefunden hat, ist „Shoah“ von Claude Lanzmann. Interessant ist auch die Frage, warum die deutsche Zensur soviel schärfer gehandhabt wird als in anderen westlichen Demokratien. In keinem anderen europäischen Land werden derart viele Filme indiziert bzw. beschlagnahmt. Das zeigt auch, wie schwer es sein muss, die Finanzierung für einen deutschen Horrorfilm zu erzielen und andererseits, wie hoch das Maß der Sensibilisierung zum Thema Gewalt bzw. wie aktuell das Thema Verdrängung ist.

Im internationalen Mainstream gibt es zurzeit vor allem genrekonforme Massenware oder Torture Porn wie „Saw“ oder „Hostel“. Wie könnte eine spannendere Zukunft des Genres aussehen?
Beim Torture Porn sollte man bedenken, dass es sich hier nur um ein Subgenre des Horrorfilms handelt. Da es ein breites Publikum anspricht, die Kassen füllt und zudem den Diskurs der Darstellung von Gewalt wieder ins Rampenlicht gerückt hat, neigt man dazu, ihn als den neuen Horror zu betrachten. Man könnte ihn aber auch einfach als einen Sprössling des Slasherfilms der 70/80er Jahre betrachten, der nach der postmodernen Parodie der 90er, z.B. in Filmen wie „Scream“, eine Rückkehr zur ‚Ernsthaftigkeit’ will. Wie viel Ernst, überzogenes Spektakel oder gewinnbringendes Spiel mit Affekten dahinter steckt, sei einmal dahingestellt. Es gibt aber auch andere Horrorfilme, wie „The Descent“, „REC“ oder „Das Waisenhaus“, die neue und mitunter interessante Wege darstellen.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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