Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.584 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Hatte u.a. seinen neuen Roman dabei: Ruhrpott-Autor Frank Goosen
Foto: Benjamin Trilling

Schrullige Dialektik

06. November 2015

„Goosen goes Treibgut“ am 4.11. an der Ruhr-Uni – Literatur 11/15

Wer hätte das gedacht? Da lädt die studentische Literatur-Initiative Treibgut schon mit Frank Goosen eines der bekanntesten Kinder der Ruhr-Uni ein und der erzählt erst mal nach der Pause, dass sich hier im gemütlichen KulturCafé gar nicht so viel verändert hat – auch was die Musik angeht.

„Da lief ne Kassette, die lief hier schon 1990 – zwei Jahre bevor ich mein Examen gemacht habe.“ Dinge die, wie er fast philosophisch festhält, neu erscheinen, aber es nicht seien. Eine so schrullige Dialektik zwischen früher und heute, greift Goosen auch in seinem neuen Buch auf.

„Förster, mein Förster“, heißt der neue Roman des Bochumer Autors, der mit Werken wie „Pokorny lacht“ oder dem auch verfilmten „Liegen lernen“ bekannt geworden ist. In seinem neuen Buch geht es, wie Goosen mit ironischem Blick auf die eigene Biographie zusammenfasst, „um einen Typen, der 50 wird und sich in die Vergangenheit abseilt.“

War früher wirklich alles besser? Was ging schief? Was hätte besser laufen können? Vor allem beruflich – denn einer der Protagonisten ist Lehrer: „Ich habe immer gerne Texte über Lehrer im Programm, weil ich nicht vergessen kann“, so Goosen.

Lakonisch räsonieren sein Protagonist und zwei Freunde über das Leben: „Ich verstehe nicht, wie jemand, der in die Schule gegangen ist, Lehrer werden kann?“ - „Um etwas zurück zu geben“ - „Was denn zurückgeben? Den Hass, die Erniedrigung?“  – „Genau in der Reihenfolge“. Den studentischen ZuhörerInnen im rappelvollen KulturCafé gibt Goosen noch einen weisen Rat: „Wenn einer von Euch Lehrer werden will – lasst den Kack!“

Doch was aktuell im Leben oder an der Uni falsch läuft, davon erzählen an diesem Abend die anderen AutorInnen von Treibgut: „Statt Bücher wälzen mit der Nacht verschmelzen“, heißt es etwa in einem Text von Felicitas Friedrich. Das studentische Party-Leben schildert ihr lyrisches Ich als trostloses Ritual: immer die gleichen Fragen, die gleichen Sprüche, der gleiche Ablauf. Und am Ende ist man alleine  – „dabei wollte ich gerade das nicht sein“.

„Wortkonzerte“: Calvin Kleemann auf der Treibgut-Bühne, Foto: Benjamin Trilling

Expressionistischen Krach bringt dagegen Calvin Kleemann auf die Bühne oder, wie er seine Performance selbst bezeichnet: „Wortkonzerte“. Um ebenso oberflächliche Partykultur wie den alltäglichen „Schönheitswahn“ geht es in seinen Beiträgen: „Und sie lecken und zucken und schlucken und nennen das Ganze auch noch Intimität.“

Konsum, Konkurrenz und humane Kapitalverwertung prangert Philipp Dorok in seinem Text an – ein ätzender Rundumschlag gegen das neoliberale System, das unlängst auch in den Uni-Alltag eingekehrt ist.

Das zeigt auch Uli Schröders Satire: nach einem Stromausfall an der Ruhr-Uni wird der Campus neoliberal umstrukturiert. „Alle müssen alles geben, um die RUB in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.“ Und die unternehmerische Uni feiert erste Erfolge: „ein neuer aktiver Studierendentypus ist geboren.“ Schneller, ehrgeiziger und effektiver – vieles, was hier überzeichnet dargestellt wird, ist auch bereits an der unternehmerischen Ruhr-Uni Realität geworden.

Aber war nun früher wirklich alles besser? Für die jungen ZuhörerInnen hat Goosen dann doch noch so was wie ein tröstendes Schlusswort: „Das einzige, das wirklich besser war, sind die Augen und Gelenke.“ Dann läuft im KulturCafé wieder Bob Marley und Queen – die Musik, die der Autor hier schon vor über 20 Jahren gehört hat.                                         

Benjamin Trilling

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

ABC-Architektur
„Buchstabenhausen“ von Jonas Tjäder und Maja Knochenhauer – Vorlesung 11/24

Moralische Abgründe
Gaea Schoeters liest bei Proust in Essen

Übergänge leicht gemacht
„Tschüss und Kuss“ von Barbara Weber-Eisenmann – Vorlesung 11/24

Auch Frauen können Helden sein
„Die Frauen jenseits des Flusses“ von Kristin Hannah – Literatur 11/24

Literatur in Höchstform
25. LesArt.Festival in Dortmund – Festival 11/24

Schaffenskraft und Schaffenskrise
20. Ausgabe des Festivals Literaturdistrikt in Essen – Festival 11/24

Die zärtlichen Geister
„Wir Gespenster“ von Michael Kumpfmüller – Textwelten 11/24

Zurück zum Ursprung
„Indigene Menschen aus Nordamerika erzählen“ von Eldon Yellowhorn und Kathy Lowinger – Vorlesung 10/24

Nachricht aus der Zukunft
„Deadline für den Journalismus?“ von Frank Überall – Literatur 10/24

Eine Puppe auf Weltreise
„Post von Püppi – Eine Begegnung mit Franz Kafka“ von Bernadette Watts – Vorlesung 10/24

Risse in der Lüneburger Heide
„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann – Literatur 10/24

Förderung von Sprechfreude
„Das kleine Häwas“ von Saskia Niechzial, Patricia Pomnitz und Marielle Rusche – Vorlesung 10/24

Literatur.

Hier erscheint die Aufforderung!