Wer hätte das gedacht? Da lädt die studentische Literatur-Initiative Treibgut schon mit Frank Goosen eines der bekanntesten Kinder der Ruhr-Uni ein und der erzählt erst mal nach der Pause, dass sich hier im gemütlichen KulturCafé gar nicht so viel verändert hat – auch was die Musik angeht.
„Da lief ne Kassette, die lief hier schon 1990 – zwei Jahre bevor ich mein Examen gemacht habe.“ Dinge die, wie er fast philosophisch festhält, neu erscheinen, aber es nicht seien. Eine so schrullige Dialektik zwischen früher und heute, greift Goosen auch in seinem neuen Buch auf.
„Förster, mein Förster“, heißt der neue Roman des Bochumer Autors, der mit Werken wie „Pokorny lacht“ oder dem auch verfilmten „Liegen lernen“ bekannt geworden ist. In seinem neuen Buch geht es, wie Goosen mit ironischem Blick auf die eigene Biographie zusammenfasst, „um einen Typen, der 50 wird und sich in die Vergangenheit abseilt.“
War früher wirklich alles besser? Was ging schief? Was hätte besser laufen können? Vor allem beruflich – denn einer der Protagonisten ist Lehrer: „Ich habe immer gerne Texte über Lehrer im Programm, weil ich nicht vergessen kann“, so Goosen.
Lakonisch räsonieren sein Protagonist und zwei Freunde über das Leben: „Ich verstehe nicht, wie jemand, der in die Schule gegangen ist, Lehrer werden kann?“ - „Um etwas zurück zu geben“ - „Was denn zurückgeben? Den Hass, die Erniedrigung?“ – „Genau in der Reihenfolge“. Den studentischen ZuhörerInnen im rappelvollen KulturCafé gibt Goosen noch einen weisen Rat: „Wenn einer von Euch Lehrer werden will – lasst den Kack!“
Doch was aktuell im Leben oder an der Uni falsch läuft, davon erzählen an diesem Abend die anderen AutorInnen von Treibgut: „Statt Bücher wälzen mit der Nacht verschmelzen“, heißt es etwa in einem Text von Felicitas Friedrich. Das studentische Party-Leben schildert ihr lyrisches Ich als trostloses Ritual: immer die gleichen Fragen, die gleichen Sprüche, der gleiche Ablauf. Und am Ende ist man alleine – „dabei wollte ich gerade das nicht sein“.
Expressionistischen Krach bringt dagegen Calvin Kleemann auf die Bühne oder, wie er seine Performance selbst bezeichnet: „Wortkonzerte“. Um ebenso oberflächliche Partykultur wie den alltäglichen „Schönheitswahn“ geht es in seinen Beiträgen: „Und sie lecken und zucken und schlucken und nennen das Ganze auch noch Intimität.“
Konsum, Konkurrenz und humane Kapitalverwertung prangert Philipp Dorok in seinem Text an – ein ätzender Rundumschlag gegen das neoliberale System, das unlängst auch in den Uni-Alltag eingekehrt ist.
Das zeigt auch Uli Schröders Satire: nach einem Stromausfall an der Ruhr-Uni wird der Campus neoliberal umstrukturiert. „Alle müssen alles geben, um die RUB in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.“ Und die unternehmerische Uni feiert erste Erfolge: „ein neuer aktiver Studierendentypus ist geboren.“ Schneller, ehrgeiziger und effektiver – vieles, was hier überzeichnet dargestellt wird, ist auch bereits an der unternehmerischen Ruhr-Uni Realität geworden.
Aber war nun früher wirklich alles besser? Für die jungen ZuhörerInnen hat Goosen dann doch noch so was wie ein tröstendes Schlusswort: „Das einzige, das wirklich besser war, sind die Augen und Gelenke.“ Dann läuft im KulturCafé wieder Bob Marley und Queen – die Musik, die der Autor hier schon vor über 20 Jahren gehört hat.
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